Kreuzfahrt unter Segeln

Neun Inseln in 14 Tagen, ein strammes Programm haben wir abgesegelt: Barbados, Bequia, Tobago Cays, Mayreau, wieder Bequia, Saint Lucia, Martinique, Dominica, Guadeloupe, Antigua. Möglich ist das nur, weil die Kleinen Antillen, egal ob Windward Inseln, die Inseln über dem Wind oder die Leeward Inseln, die Inseln unter dem Wind – durch den sehr beständigen Passatwind gefüttert werden: Es ist ein Starkwindrevier, auch wenn man das beim Baden in einer karibischen Traumbucht kaum spürt. Um so heftiger wird es beim Segeln, denn zwischen den Inseln rollt die Atlantikwelle mit ungebremster Gewaltigkeit hindurch und nur auf der windabgewandten Leeseite nahe einer Insel gerät der Segler mal in ein Flautenloch. Oder er bekommt es mit Fallböen zu tun.

Martinique ist gar nicht so schlecht: Die Hauptstadt Fort de France hat ein niedliches Zentrum, natürlich alles sehr französisch, viele Cafes, Bars und Boutiquen. Wie im Mittelalter sind die Straßen noch nach Branchen aufgeteilt: Hier die Nähereien, dort die Optiker, hier ein Markt für Früchte und Gemüse, dort die Fischhalle. Die Straßen sind eng und verwinkelt – schattenspendend also und das gefällt uns sehr. Ein Badeort ist Fort de France allerdings nicht. Einen Urlauberstrand, der ein bißchen an die Cote d’Azur erinnert finden wir nahe Le Marin bei Sainte Anne, Le Pointe de Marin: Strandbars, Souvenirshops, Bootsverleih und ein langer Strand, an dem sich die Franzosen tummeln. Natürlich gibt es haufenweise Boule-Plätze unter schattigen Bäumen. Da spielen die Senioren stundenlang, die Jungen hingegen liegen in der prallen Sonne und lassen sich toasten.

Nach zweitägigen Reparaturstop in Le Marin auf Martinique, einer großen Marina mit allem was ein Segler so braucht, legen wir vor Sonnenaufgang um 4 Uhr vom Steg ab. Wir haben die alten Segel, die seit der Atlantiküberfahrt auf Mistral sind, gegen die neuen Regattasegel getauscht und nehmen Kurs auf Dominica, der nördlich von Martinique gelegenen Insel mit einer der schönsten Nationalflaggen der Welt wie ich finde. Es wird ein langer, heißer Tag und immer wieder kämpfen wir uns gegen den Wind voran, dessen Launenhaftigkeit im Windschatten von Martinique dem Rudergänger oft zu schaffen macht: Mal rauschen wir mit 10 Knoten kursgenau auf unser Ziel zu, dann wieder drehende Winde, denen die Puste ausgeht. Dominica wird als besonders ursprüngliche Insel mit einem Riesenschatz an unberührter Natur beschrieben. Auf der Westseite ist davon jedenfalls wenig zu sehen. An der Küste scheint Dominica nicht so unberührt zu sein – wir entdecken viele Siedlungen, Dörfer und größere Ortschaften – aber vielleicht trügt dieser Seeblick auch nur. Trotzdem sehen wir, daß da ganze Hügel bergbaulich genutzt werden, das heißt, es wird gebaggert und statt sattem Grün klafft der nackte Boden heraus. Die Bucht von Portsmouth, im Norden Dominicas, erreichen wir rechtzeitig zum Sundowner, aber das Immigration-Office ist geschlossen. Wir haben Portsmouth gewählt, weil hier der Indian River ins Meer mündet und wir eigentlich eine Paddel-Tour den Fluß hinauf machen wollen. Die Crew entscheidet sich aber schließlich dagegen – statt dessen soll am nächsten Tag Guadeloupe angelaufen werden. Trotz Sundowner und Rum-Ausschank im Cockpit – die Nacht ist etwas unruhig – Fallböen pfeifen die Berge hinab, Mistral zerrt an der Kette, aber der Anker hält.
Wieder geht es früh los, bei Sonnenaufgang um 6 Uhr, Frühstück auf See. Und wieder rauschen wir voran – mit Halbwind, den uns der Passat bringt. Deshaines, im Norden von Basse-Terre, dem westlichen Teil von Guadeloupe, enttäuscht uns nicht. Ein niedliches Örtchen mit einem Highlight, das wir eigentlich auf Dominica gesucht haben: Ein kleines Bächlein fließt durch den Tropenwald am Ortsende von Deshaines in die Bucht – ein wunderbarer Spaziergang für uns: Ein paar winzige Wasserfälle, haufenweise Planschbecken und erfrischendes, sauberes Süßwasser zum Baden – Sailors Pleasure pur – sehr empfehlenswert für alle, die sonst mit Süßwasser sparen müssen. Schwieriger ist es mal wieder – typisch französisch – in der Mittagszeit irgend etwas zu kaufen: Supermarkt ist geschlossen, Boutiquen geschlossen und wer nur etwas trinken möchte, muß ab 12 Uhr den Platz im Restaurant/Bar räumen, denn es wird gegessen. Bis genau 14.30 Uhr. Und wer dann nichts gegessen hat, kriegt auch nichts mehr – bis 18 Uhr, so sind die Regeln.

Ein Segelboot ist ein Segelboot, zwei Segelboote sind eine Regatta. Wir sind schon vier Segelboote, die am nächsten Morgen von Deshaines nach Antigua (gesprochen: Antiga) auslaufen. Trotz 45 Tonnen Verdrängung und 75 Jahre alt ist die Mistral unschlagbar, jedenfalls bei kräftigem Halbwind. Wer am Ruder steht, hat seine helle Freude – Segelspaß pur – für schnelle Halbwindkurse wurden Schooner schließlich gebaut. Schon am Mittag sind wir in Falmouth Harbour, der Nachbarbucht von English Harbour im Süden Antiguas. Hier liegen haufenweise Superyachten – es ist ein Treffpunkt der Reichen oder Schönen, also sind wir hier richtig. In drei Wochen startet hier die weltbekannte Antigua-Classic-Yacht Regatta, danach die ebenso bekannte Antigua Sailing Week, kein Wunder also, daß sich jetzt schon hier die Karibiksegler treffen. Eine wunderbar entspannte und angenehme Atmosphäre, wie wir sie so nirgendwo auf unserer Tour gefunden haben: Es geht zwar geschäftig zu – da werden Superyachten geputzt und poliert – aber es gibt direkt am Hafen das Seabreeze und das ist eine Snackbar mit WiFi, wo man sich einfach trifft. Es gibt eisgekühltes Wadadli-Bier und ordentlichen Rumpunsch, die meterlange Pinwand ist übersät mit Zetteln, wo alles mögliche angeboten oder gesucht wird, Pelikane hocken auf den Dächern und Booten – ein Ort um Hello zu sagen oder Bye Bye. Für mich die Endstation in der Karibik – drei Monate sind vorbei. Heimweh habe ich nicht, habe ich auf der ganzen Reise nicht bekommen. Vermisst habe ich meine Lieben, meine Familie und meine Freunde. An Bord der Mistral bin ich mit Großvätern unterwegs gewesen. Zum Großvater habe ich vor vielen Jahren meinen Vater gemacht – im Gedanken war er oft auf dieser Reise bei mir. Und auch meine Liebste. Wie wunderbar ist es deshalb, daß Kirstin jetzt bei mir ist. Sie hat mich zum Anfang der Reise nach Agadir gebracht hat und mich nun auch wieder abgeholt – von der längsten Reise meines Lebens.

Und etwas Profanes habe ich vermißt: Eine Jolle oder einen Hobie-Cat: Die Buchten der Karibik laden dazu ein, hinter den Riffen übers azurblaue, 30 Grad warme Wasser zu gleiten. Ja, mit Daddeldu, meiner Jolle, hätte ich hier viel Spaß gehabt.
Sonntagabend, in Deutschland flimmern die Tagesthemen in den Stuben – wir stehen auf Shirley Heights und blicken hinunter auf die Buchten von English Harbour und Falmouth. Eine Steelband spielt Reggae, Hunderte sind zu Barbecue und Sundowner auf den Aussichtspunkt gekommen. Familien mit Kindern liegen auf der Wiese und picknicken, Liebespaare küssen sich wie verrückt an jeder Ecke, ich tanze mit Kirstin, hier heißt das winning.

Das Ende der Reise ist ein Happy End: Erspart bleibt uns das Frankfurt/Main Airport Trauma: Gerade rechtzeitig landen wir auf deutschem Boden – 12 Stunden später wird der Flughafen mal wieder bestreikt. Wir aber kommen streßfrei davon und irgendwie freue ich mich nun doch auf den Leipziger Frühling.

3 Kommentare

  1. Hej Holger,

    danke für die tollen Eindrücke. Bin schon ganz gespannt, das Ganze dann im Leipziger Frühling live zu hören. Wünsch Dir ein stressfreies Ankommen hier.
    Lieber Gruß
    Andraj

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