Die Sonne lacht, Freikerl und die Crew sind abreisebereit und der Wind dreht, wie angekündigt auf Süd. Suppe und Tee sind in ausreichenden Mengen vorhanden und werden warmgehalten. Die Wettervorhersage orakelt stabilen Wind aus Süd bis in die frühen Morgenstunden, dann soll er auf unter 10 Ktn. nachlassen, was für den behäbigen Freikerl auf diesem Kurs zu wenig ist um noch eine akzeptable Geschwindigkeit von 4 – 5 Ktn. zu erreichen. Aber das macht nichts – Nanni wird’s schon machen. Wir werfen Punkt 14:00 Uhr die Leinen los, stauen die Fender und Leinen weg und dampfen in den Thyborønkanal nach Westen. Zuerst opfern wir Rasmus und Njörd einen ordentlichen Schluck vom Besten, um sie milde zu stimmen und uns bei der Überfahrt wohlwollend zu begleiten. Zu allem Glück schwimmt neben uns ein Delphin noch einige Meter Richtung Nordsee an unserem Bug. Ich bin guter Dinge und freue mich endlich nach Norwegen zu fahren, wo unsere eigentliche Reise ins Unbekannte ja erst beginnt. Mit Freikerl waren wir bisher noch nicht in Norwegen. Ute hat Ihre Antiseekrankheitsdrogen eingeworfen und beobachtet etwas skeptisch die immer noch recht hohen Wellen aus südwestlicher Richtung, die Freikerl schlingern und geigen lassen. Wir fahren nur unter Genua, unserem großen Vorsegel, die uns mit 5-6 Knoten Richtung Norden zieht. Es dauert 1-2 Stunden und Ute legt sich in den Salon, um ein wenig zu schlafen und macht aber kein Auge zu. Wir sind auf diese Seegangsbedingungen nicht vorbereitet. Alles klappert und scheppert, rutscht und knallt. In den Schränken poltern Flaschen, Vorräte, elektrische Geräte und anderes Zeugs gegen die Kistenseiten und Türen. Wir sind aber auch Schlampen und Anfänger…! Das Gebiet, welches wir durchfahren, ist eines der meistbefahren Seegebiete der Welt. Ununterbrochen zeigt unser AIS (Automatic Identification System) auf dem Plotter durchfahrende Frachter, Tanker, Arbeitsboote, Fischer und auch ein paar wenige Segler. Wir müssen ihre Verkehrswege queren. Die Ausweichmöglichkeiten und der Ausweichwille der „dicken Pötte“ sind begrenzt und so fühlen wir uns, als wollten wir die AVUS bei Rushhour mit dem Dreirad überqueren. Langsam wird es dunkel, kalt und es nieselt zuweilen. Um Mitternacht, nachdem der schlimmste Verkehr durch war, wollte Ute mich endlich ablösen. Ich spanne die inzwischen erkaltete Suppe mit akrobatischer Jonglage auf den schwingenden Herd. Im Stehen löffle ich die warme Hühnersuppe und spüle diese mit Kaffee hinunter. Ich traue Utes momentaner Leistungsfähigkeit nicht und setze mich im Ölzeug in den Salon. Ute ist so seekrank, dass sie zum Totalausfall wird und sich nach 20 Minuten sofort wieder hinlegen muss. Die Drogen haben keinerlei Wirkung und Frau Doktor meint, dass die Tabletten vielleicht doch etwas überlagert waren. Beim nächsten Mal will sie eine neue Packung aufmachen. Woher soll sie das auch wissen… Ab 3 Uhr ist der Wind weg, aber die See noch rau. Für meinen Totalausfall also noch keine Besserung in Sicht. Vor der norwegischen Küste kreuzen wir noch ein Verkehrstrennungsgebiet (ist so ähnlich wie eine Autobahn für Schiffe) und ich muss noch einigen Autobahnnutzern ausweichen. Nach fast 17 Stunden erreichen wir die norwegische Küste und die steilen Felsen liegen in einem feuchten Nebel. Die Sicht liegt bei unter einem Kilometer und wir suchen die Einfahrt zu unserer vorher ausgewählten Ankerbucht. Das GPS macht es uns leichter. Es stellt sich heraus, dass die Bucht für uns nicht so geeignet ist. So vertäuen wir Freikerl im nahen Korshamn am Steg des Gjestehamn und nehmen den obligatorischen Anleger, der auch früh 07:30 nicht verpasst werden darf (die Leinen sollen schließlich halten). Frau Dr. Ute T. (Totalausfall) Müntz ist wieder von den Toten auferstanden und erledigt die Formalitäten, wie Anmeldung und Bezahlung der Hafengebühr übers Internet. Danach geht’s endlich in die Kojen. Der große Gin-Tonic senkt meinen Adrenalinspiegel recht schnell und während ich in der Koje liege, frage ich mich, warum meine Liebe Ute – Kombüse, Trüffelsau und Totalausfall – sich diese Segelei antut. Ist man seekrank, glaubt man das man sterben muss und wenn es nicht vorüber geht, will man nur noch sterben. Ute meint, dass sie das aushält, weil es so schön ist anzukommen. Naja, ich weiß ja nich…
Schreck auf See
Uwe und Anke, die vor 8 Jahren mit Freikerl auf der Reise nach Island die norwegischen Gewässer befahren haben, legten uns den Besuch von Kirkehamn dringend ans Herz. Wir verlassen Korshamn. Der Wind soll mit kräftigen 4 Bft. aus SW pusten, da wir nach NW wollen ein guter Winkel und guter Wind für Freikerl. Noch in der geschützten Bucht ziehen wir das Großsegel hoch und in weiser Voraussicht binden wir das 2. Reff ins Segel. Bei den Manövern zerreiße ich mir die gute Daunenjacke, dass die Federn fliegen und opfere eine Winschkurbel den Wellen. Super Tagesbeginn! Natürlich hält sich der Wind nicht an die Vorhersage und weht aus West mit 5-6 Bft. Wir motoren eine halbe Stunde gegen die Welle, um einen besseren Winkel zum Wind zu bekommen. Schließlich entscheiden wir uns doch zu kreuzen, ziehen die Fock dazu und kreuzen Richtung Norden. Uns ist bewusst, das Freikerl die Kreuzeigenschaften eine mittelalterlichen Rahseglers hat, aber wir haben Zeit, die Sonne scheint und Freikerl liegt gut in der 2-3 m hohen Welle. Nach 3 Stunden pumpt die Lenzpumpe größere Mengen Wasser aus dem Motorraum. Alle Alarmsignale springen sofort an. Ute kostet die Brühe – Salzwasser! Also kommt das Wasser von außen. Ich reiße den Motorraumdeckel auf – Freikerl liegt mit 35° schräg in der See und reitet die Wellen – unten schwappt das Wasser. Eine Ursache ist nicht sofort zu erkennen. Ich schließe das Motorseeventil, durch das der Nanni sein Kühlwasser bekommt und kontrolliere die Wellendichtung. Das sind die beiden Verbindungsstellen des Motorraums zur Außenwelt. Es schein alles dicht. Wir wenden und da wir nicht weit vom Land entfernt sind, nehmen wir Kurs auf das 4 sm entfernte Farsund. Während wir durch die Schären navigieren, überlege ich, wo ich Freikerl auf Land setzen kann, damit er nicht sinkt. Doch es scheint kein weiteres Wasser hinzuzukommen, jedenfalls pumpt die Bilgenpumpe kein Wasser mehr aus dem Motorraum und so machen wir im leeren Stadthafen fest. Wir beruhigen uns, nehmen den notwendigen Anleger, essen eine Kleinigkeit und machen uns dann daran die Ursache des Wasserreinbruchs zu finden. Wir pumpen die restliche Bilge leer, wischen alle Motor- und Auspuffteile ab und starten die Maschine. Nix! Alles trocken. Wir schalten das Getriebe ein und aus, geben im Leerlauf Vollgas, kontrollieren Filter, Schläuche, Schlauchverbindungen. Nix! Ich erinnere mich, dass Uwe auch davon erzählte zwischen Island und Irland 100 – 150 Liter Wasser im Motorraum gehabt zu haben. Ich rufe ihn an. Auch Uwe und Anke haben damals keine Ursachen finden können. Wir orakeln, dass es ggf. am Auspuff liegt. Bei achterlicher Welle oder hohem Seegang steigt zuweilen eine Welle in den Auspuff, wenn dann die Abgase bei laufender Maschine nicht wegkönnen, entsteht ein so hoher Druck im System, dass das Abgas/Wasser – Gemisch durch die Schlauchverbindungen oder den Wassersammler in den Motorraum gedrückt wird. Nix Genaues weiß man nicht! Jedenfalls war es ganz schön aufregend und wir werden das weiter beobachten. So sind wir also nicht nach Kirkehamn gekommen, haben in Farsund einen Hafentag wegen Schittwedder eingelegt und versuchen es nun morgen noch einmal.
Kirkehamn ist ein sehr schöner kleiner Naturhafen mit einer imposanten Kirche auf einer Klippe, die 700 Menschen Platz bieten soll (der Ort hat 120 Einwohner), und wirklich eine Empfehlung. Ute unternimmt eine Wanderung auf den nahen Hausberg und berichtet von der wunderbaren Aussicht.
Weiter geht’s nach Eggersund, einem bumerangförmigen Meeresarm südlich von Stavanger. Wir suchen uns einen sehr kleinen Anleger am nördlichen Ausgang des Sundes aus und hoffen, dass dieser frei ist, zumal die Jungs der GRY am Vormittag den Platz geräumt haben. Das Wetter wird schlechter, es beginnt zu regnen und der Wind pfeift mit über 20 Ktn. von Süd in die Bucht. Wir versuchen es trotzdem. Dumm nur, dass an dem einzigen Platz mit ausreichend Tiefgang schon eine Motoryacht liegt. An Wenden ist in dem engen Fjord bei dem Wind nicht zu denken. Es gibt nur eine Möglichkeit: rückwärtsfahren! Das geht mit Freikerl eigentlich nicht, außer der Wind kommt genau von hinten. Und Njörd ist uns hold – der Wind kommt von hinten. So dampfen wir gegen die Welle rückwärts aus dem schmalen Kanal und machen in einem nahen, sehr schönen kleinen Fjord an einem Holzsteg fest. Der Wind nimmt zu, es schüttet wie aus Eimern und wir liegen gemütlich bei laufender Heizung im Salon und lesen. Es kommt so viel Wasser von oben, dass ich glaube, Freikerl ist von oben nasser als von unten. Der nächste Tag bringt strahlenden Sonnenschein und Wind aus Nord. Wir freuen uns nicht weiterzukommen und unternehmen eine ausgedehnte Wanderung durchs küstennahe Fjell. T-Shirt-Wetter und menschenleere Berge und Strände lassen die Wanderung – trotz Anstrengung – zu einem großen Erlebnis werden. Erhitzt und verschwitzt steige selbst ich danach in das 12° kalte Wasser der Nordsee. Wunderbar!
Follower
Im Übrigen freuen wir uns über die Kommentare zu unseren Berichten! Jetzt haben wir endlich auch „Follower“. Der Betreiber der Seite www.ciboney.de hat schon Kontakt mit uns aufgenommen, um uns finanziell zu unterstützen. Danke an unsere Patrons!


















Danke für euren spannenden Bericht und die schönen Fotos, ich war noch nie so hoch im Norden. Ich habe von der Seefahrt null Ahnung, habe trotzdem mit euch gefiebert und mit Dir, liebe Ute, mitgelitten! Gute Reise, möge Poseidon mit euch sein( oder so ähnlich) GlG von Susi
Da ich nicht weiß, wie ich zum Follower werde, der ja anonym bleibt….wir folgen euch mit ganz viel Freude am so schön Geschriebenen , fiebern mit euch und…..bleibt wohl auf
……..ohne Kommentar. Macht 👍
……..ohne Kommentar. Macht 👍 weiter so
Gott, das liest sich ja spannend wie nix !!!
Wobei ich Euch wegen des Wetters bedaure – während wir im Sonnenschein segeln (lassen ;)) ).
Ute, wir haben es leider nicht in die Therme geschafft, aber Bettina und ich sind an Land geschwommen ( ich gemütlich im dicken roten Rettungsring), um am Strand mit 100 Anderen in heißen Kuhlen zu planschen ….