Weiter nach Norden

Drei Nächte verbringen wir in unserem ruhigen und geschützten kleinen Fjord Skadbergvågen Naturhamn. Am Samstagnachmittag düsen einige kleine Dinghis in den Fjord und gehen auf der gegenüberliegenden Seite an die Holzbrücke. 6 Halbwüchsige (8-12 Jahre) springen an Land. 2 Mütter begleiten die Horde. Sie schleppen Isomatten, Schlafsäcke, Taschen und etliche andere Ausrüstungsgegenstände in die kleine Schutzhütte. Immer wieder fahren die Boote los und kommen wenig später wieder und bringen mehr Utensilien. Ein Monster SUB wird aufgeblasen und die Kinder stopfen sich in Neoprenanzüge. Sie toben durch das 12° kalte Fjordwasser, rennen barfuß und mit nassen Haaren über die Klippen und kämpfen um den besten Platz auf dem SUB. Die jungen Muttis entfachen unterdessen ungerührt ein Grillfeuer. Nachdem die „Kleinen“ keine Lust mehr auf Wasserspiele haben, toben sie durch den mit vielen Schaukelmöglichkeiten ausgestatteten Wald. Da hängen Leinen, Kugelfender und Schaukeln.  Ich beobachte das Treiben aus dem beheizten Salon. (In 24 Stunden habe ich keinen der Bälger auf dem Handy daddeln sehen). Ute versucht uns ein fischiges Abendbrot zu besorgen. Wir wollen auch grillen, haben jedoch nichts, außer einer labbrigen Zucchini, was wir auf den Flammen erhitzen könnten. Irgendwann stehen die Kinder mit einer Angel auf den Steinen. Es dauert 1 Minute und sie rennen johlend mit dem gefangenen Fisch zur Feuerstelle. Wenige Sekunden später steckt der Fisch auf einem Stock über dem Feuer und Ute pfeffert enttäuscht und sauer die Angel ins Cockpit. Es gab Nudelauflauf…. Unterdessen setzt Freikerl bei Niedrigwasser 2-3 mal mit dem Kiel auf. Wir verholen uns einige Meter nach vorn und wettern in der Nacht den Durchzug des nächsten Starkwindfeldes mit viel Wasser von oben ab.

Wind aus SüdWest am nächsten Morgen. Nicht besonders doll, aber unser „Performance Cruiser“ Freikerl beschleunigt tatsächlich auf knapp 6 Knoten. (ca. 11 Km/h). Endlich schönes Segeln bei Sonnenschein und wenig Welle. Ute wird müde, legt sich ein Stündchen aufs Ohr (die Tabletten stammen aus einer frischen Packung) und komm danach strahlend und gut gelaunt wieder aus der Koje. So mut dat sin! Leider lässt der Wind nach 4-5 Stunden nach und Nanni muss wieder die ganze Arbeit verrichten. Weil es dennoch so schön ist, beschließen wir das Kap nördlich von Stavanger noch zu runden und in der kleinen Bucht Linehamn die Nacht zu verbringen. Leider liegen an dem Anleger schon 2 Boote. Zum Glück gibt’s mitten in der Bucht eine kostenlose Festmachertonne, an der wir dann die Nacht verbringen. Es ist so wenig Wind, dass die im Wasser sinkende Leine des Festmachers immer wieder die Boje an unseren Bug zieht, so dass diese mit Ihrem Stahlaufsatz laut scheppernd gegen unsere „Connservendose“ knallt. Mitten in der Nacht schäle ich mich aus den warmen und trockenen Tüchern um die zwischen unseren Ankern verhakte Boje – bei leichtem Nieselregen – aus ihrer Umklammerung zu befreien. Zum Glückt kommt in den Morgenstunden Wind auf, so dass Freikerl einen Sicherheitsabstand zur Schepperboje aufbauen kann. Dafür legt der Wind ordentlich zu, es schüttet wie aus Eimern und wir verschieben unsere Abfahrt ins 4 sm entfernte Stavanger auf den Nachmittag. Irgendwas ist eben immer! Wir segeln die paar Seemeilen nach Stavanger dann unter Fock und legen ein bemerkenswertes Anlegemanöver hin. Wir sind stolz und überrascht von uns, dass wir den zuschauenden Yachties kein vergeigtes Hafenkino geboten haben. Manchmal ist es doch gut, ein Anlegemanöver bei 20 Knoten Wind auf engem Raum, vorher zu besprechen. 

… und nun zum Wetter

Es gibt viele Feinde des Seglers! Unter anderen gibt es den Wind, die Welle, den Regen, die Sonne, den Nebel, die Temperatur. Kurz: das Wetter! Meisten ist irgendein Faktor nicht zufriedenstellend. Wenn der Wind gut weht, kommt die Welle ungünstig oder umgekehrt. Passen Wind und Welle, regnet es… Ich will nicht mit allen aufzuzählenden Kombinationen dieser Unzulänglichkeiten langweilen, aber uneingeschränkt begeisternd ist das Wetter selten. Nach dem anfänglichem Dauersonnenschein auf unserer Reise, ist das Wetter nun nach unserer Überfahrt nach Norwegen unbeständig. Kaum ein Tag vergeht, an dem sich die Windrichtung nicht wenigstens 1–2-mal ändert. Ein Tiefdruckgebiet jagt das nächste, was bedeutet, dass es an einem Tag schüttet, als wenn Petrus den Wasserhahn abgebrochen hätte, am nächsten Tag gibt es Sonnenschein und wenig Wind, der dann wieder durch Wind in Sturmstärke vertrieben wird. Die Temperaturen sind wider Erwarten moderat, auch wenn die Heizung jeden Tag einige Minuten lauft – um das Aufstehen zu erleichtern oder die Klobrille anzuheizen – so haben wir uns Norwegen doch kühler vorgestellt. Die Norweger (und Norwegerinnen – der Ordnung halber) sind längst schon im Frühsommer angekommen und kommen gut bei 15° mit Shorts, Spagettiträgern oder nabelfreien T-Shirts über den Tag. Auf See sieht das dann schon anders aus. Bei 12° Wassertemperatur und kräftigen Wind fühlt sich das dann einfach KALT an.  Wir denken über die Fahrt auf die Shetlands nach, wo wir ca. 40 Stunden stabiles Wetter benötigen. Momentan ist dieses Wetter nicht in Sicht. 

Stavanger

Stavanger wurde heute durch uns zum Heimatrevier erklärt. Wir werden bestimmt nochmal wieder kommen, auch allein um den Preikestolen und Lysefjord zu besuchen. Nach gestrigem Besuchsnachmittag auf der TARAS (Katrin und Torsten haben den gleichen Heimathafen wie wir in Greifswald) in Sandnes, war heute Kultur angesagt. Früh Einkaufskultur, die sich wenig von der unsrigen unterscheidet (allerdings sind die Supermärkte wesentlich kleiner und die Preise wesentlich höher), besuchen wir 3 wunderbare Museen. Druckmuseum, Fischbüchsenmuseum und das Ölmuseum. Alle Museen sind sehr interessant, technisch brillant gemacht und hoch informativ. Das Ölmuseum liegt keine 30 m von unserem Liegeplatz entfernt und ist schon architektonisch bemerkenswert. Wir sind begeistert und würden die Museen auch beim nächsten Mal wieder besuchen. Zwischendurch gehen wir zur Mittagszeit ins „Fisketorget“ zum Lunch. Das Fischrestaurant liegt in Sichtweite des Kreuzfahrtschiff-terminals, aus dem auch gerade knapp 7000 Kreuzfahrer aus 2 Cruisern die Stadt unter sich begraben. Wir rechnen mit dem schlimmsten Angriff auf unsere Bordkasse für touristischen Nepp seit Reisebeginn, haben aber Fischhunger, Durst und ignorieren unsere Vorahnungen- und urteile. 2 einheimische Bier 0,4 l, ein Salat mit Garnelen für mich, eine Fischsuppe für Ute und danach noch 2 Espressi erleichtern unsere Bordkasse um 95 €. Jedoch schmeckt das einheimische Bier, die Portionen sind mehr als ausreichend und schmecken hervorragend, der Espresso fast italienisch gut. Zu allem Überfluss ist der junge Kellner sehr freundlich und hat scheinbar Spaß an seinem Job. Jeder Cent wars wert! Die Stadt ist – abgesehen von den Kreuzfahrern – jung, modern und voller Ideen. Stavanger ist ein Centrum der norwegischen Erdölindustrie, die das Land in den vergangenen 50-60 Jahren von einer Fischermonarchie zu einem der reichsten Länder Europas gemacht hat. Es gibt Unmengen von Cafés und Restaurants, hervorragende Street Art, unentwegt pesen die „Stavangi“ mit einem E-Scooter durch die hüglige, kopfsteinbepflasterte Stadt und erschreckt uns Touristen, indem sie nahezu lautlos möglichst dicht um uns herumkurven. Seit 2005 gibt es hier eine Universität und damit ist Stavanger mit nur 150 000 Einwohnern nicht zur 4. größten Stadt Norwegens, sondern zu einer wichtigen modernen Industrie- und Bildungsstadt geworden. So kann man sich es auch leisten die Altstadt mit ihren wunderschönen kleinen, weiß getünchten Holzhäusern wieder aufzubauen und zu erhalten. In den Cafes und Geschäften arbeiten überall junge Leute. Das ist uns auch schon in Dänemark aufgefallen. Durch Berichte wissen wir, dass das Jobben von Studenten vollkommen selbstverständlich ist und niemand auf die Idee kommt allein von Studienbeihilfen durch Eltern oder Staat zu leben. Wir haben uns die Bevölkerungspyramiden Norwegens und Deutschlands angesehen. Diese sehen nahezu identisch aus. 20% Menschen unter 20 Jahren, 60 % Menschen zwischen 20 und 65 Jahren, 20 % darüber. Der Ausländeranteil liegt ebenfalls vergleichbar bei ca. 19-20%. Auffällig in den skandinavischen Ländern ist der Umgang mit der Umwelt und dem öffentlichen Gut. Die, für die Allgemeinheit zugänglichen und nutzbaren Einrichtungen, wie Stege, Grillplätze, Parkanlagen, Toiletten, Bahnhöfe und Bushaltestellen etc. sind in einem gepflegten und nutzbaren Zustand. Selbst auf der entferntesten Insel gibt es eine Miljöstasion, wo jeder seinen Müll abgeben kann und die regelmäßig von Mitarbeitern der Gemeinden geleert werden. Die Toiletten (Trockenklos) auf den Inseln haben immer frisches Toilettenpapier, die Türen gehen auf und zu und selten sind diese beschmiert oder beschnitzt. Und wenn, dann bekundet Haakon seiner Jördis seine nie versiegende Liebe. Irgendwas läuft mit dem gesellschaftlichen Gemeinverständnis und Verantwortungsbewusstsein der Umwelt und den Mitmenschen gegenüber in Deutschland in die falsche Richtung. Woran liegt’s? Die Stadt feiert in diesem Jahr ihr 900 – jähriges Jubiläum. Die Feierlichkeiten erstrecken sich über das gesamte Jahr, aber Pfingsten wird wohl ein Highlight unter dem Motto: „900 x Hooray“ (900 x Hurra)…

Wir verlassen Stavanger am Freitag vor Pfingsten und besuchen auf unserem Weg nach Norden noch das kleine Archipel um Kvitsøy 12 Seemeilen nordwestlich von Stavanger. Es soll dort 365 Inseln geben, wobei nicht definiert ist, was als Steinhaufen oder was als Insel bezeichnet wird. Bergen ist gestrichen, wir werden die Überfahrt auf die Shetlands weiter südlich starten, da die zu erwartenden Winde hoffentlich günstiger für unser Fortkommen sein werden. Im Moment deutet es sich an, dass wir in einer Woche aufbrechen können.

Wir werden berichten!

6 Kommentare

  1. Danke für den schönen Bericht und die tollen Bilder. Kurzer Tipp: ein Stück Gartenschlauch vor dem festmachen über den Festmacher geschoben verhindert das die Boje gegen das Boot dengelt. Viele Grüße Torsten

    1. Danke für den Tipp. Das klingt so einfach, dass ich mich ärgere nicht selber auf die Idee gekommen zu sein. Ich habe das noch nie gesehen und wir kämpfen schon seit Jahren mit dem Problem. Grüße! Atze & Ute

  2. Danke Atzman, für die tollen Berichte!
    Bin schön am Schmunzeln beim lesen.
    Ihr lasst aber auch nichts aus …
    Arme Ute 🙁

    Hätte Frau Doktor mir die Freigabe im Hochbeet gegeben , könnte sie statt mit überlagerten Pillen, mit Muffins gegen ihre Seekrankheit an-mampfen 😂

    Ist natürlich als Scherz gemeint …. aber wie oft gilt … Versuch macht klug …

    Gute Weiterreise und Toi, Toi, Toi für Wind und Wetter …

    LG
    Matti

  3. Hallo Axel, ein toller Beitrag, liest sich spannend und so bildhaft! Wünsche euch für die weitere Zeit viele Highlights natürlich mit DEM Wetter wie es sich ein Segler wünscht. Klasse auch die vielen Bilder, sie geben einen tollen Einblick in Natur, Kultur und Kunst. Liebe Grüße auch an Deine Frau

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.