Edison ist tot, Tesla ist tot und mir ist auch schon ganz schlecht!

Die „Funktionseinschränkung“ von Freikerl fühlt sich so an, als ob ein geliebtes Haustier krank ist. Man leidet mit und wünscht, dass es bald wieder gesund wird. Seit einer Woche grüble ich auf unseren Ankerwinschproblemen herum. Was ist, wenn die Handfernbedienung doch nicht kaputt ist? Dann haben wir 2 Wochen vertrödelt und hängen hier weiter fest. Außerdem haben wir mit dem Leihwagen auf South- and North Uist, der Isle of Barra, auf Eriskay und Vatersay nun jeden alten Stein umgedreht, alle Strände besucht und alle Aussichtspunkte genossen. Eine weitere Woche in der kleinen Marina ohne Bewegungsmöglichkeit wird bei mir und Ute zum Lagerkoller führen. Am Sonntag morgen weckt mich die Nachricht einer Freundin, welche uns ihr Mitgefühl ausspricht und ähnliche Probleme mit dem eigenen Boot kennt. Sie bietet mir Karsten, ihren Mann, als Support an. Er kennt sich mit „Strom“ gut aus. Das beflügelt wieder mein Nachdenken über die Ursache. Ich krame Sonntagnachmittag die Schaltpläne der Winsch und der Fernbedienung heraus. Die Fernbedienung hat zusätzlich noch eine Lampenfunktion. Ich lese, dass die auch SOS „funken“ kann und nach einer Stunde das Leuchten automatisch erlischt, um die Batterie zu schützen. Das erklärt auch die Platine im Inneren der Fernbedienung. Das hat nichts mit unserer Funktion AUF + AB zu tun, zumal die Kabel für die Lampe gar nicht angeschlossen sind. Ich überwinde meine Stromphobie und lese in der Gebrauchsanweisung des Prüfgeräts das Kapitel „Durchgang prüfen“ nach. Das verstehe sogar ich. Also schnappe ich mir die Fernbedienung und prüfe die Kabel auf Durchgang. Und siehe da: Das braune Kabel gibt keinen Piep von sich. Ich rufe nochmal Uwe, den „Elektronikfacharbeiter mit Abitur“ an (der ist nämlich nicht nur Tischler), der meine Vermutung stützt. Ein Kabel ist schnell angelötet und das andere Ende mit der Lüsterklemme im Klemmkasten verbunden – ES GEHT! Nach Edison und Tesla bin ich der Dritte!!! Ich mach alles nochmal hübsch und sichere das Kabel mit Isolierband, schraube alles wieder zusammen und wir sind auslaufbereit. Nun müssen wir noch entscheiden, was wir mit unseren Bestellungen machen. Dazu müssen wir mit den Lieferanten am Montag Kontakt aufnehmen. Das nächste Abenteuer ruft.

Wider Erwarten bekommen wir eine Mail von Fedex, dass unser Ankerschalter geliefert wurde, eine Woche früher als angekündigt. Wunderbar! Ich mopse das Päckchen vom Tisch des Hafenmeisters, da das Büro nie abgeschlossen ist, baue mein Provisorium wieder zurück und installiere den neuen Schalter. Läuft! Am Mittwoch verabschieden wir uns bei Hafenmeister, verlassen Lochboisdale und segeln bei wenig Welle und raumen Wind zur Isle of Canna. Wir sind spät dran und alle 8 Mooringtonnen sind schon besetzt. Das macht uns natürlich nichts aus, ankern wir eben. Nach ruhiger Nacht lassen wir erstmals nach fast 3 Monaten unser Dinghi zu Wasser, pumpen Luft auf, installieren Motor, Tank und Räder. Bei 3,5 m Tidenhub kann der Weg zum Wasser oder in trockene Höhen schon mal sehr lang werden und dann ist das Festrumpfdinghi mit Motor zu schwer, um es zu tragen. Wir müssen an einer schrägen Rampe für die Fähren anlanden und das Bötchen ganz nach oben ziehen. Bei Nichtgebrauch werden die Räder einfach nach oben geklappt. Das sieht lustig aus, zumal ich wegen der Wiedererkennung Räder in quietschgelb angebaut habe. Canna ist sehr schön, hat nach Nordwesten einen 200m hohen Bergrücken, der den Süden vor starken Winden schützt. Im Süden liegt die Insel Sanday, die über eine kleine Brücke mit Canna verbunden ist. Es leben 9 Einwohner auf Canna und 3 Einwohner auf Sanday. Die Isle of Canna hat 3 Kirchen! Es gibt ein sehr nettes Cafe, einen Laden mit Kasse des Vertrauens, wo man alles erstehen kann, um nicht Hungers zu sterben. Die Liegegebühr für die Mooringtonne wird auch dort entrichtet. Eintragen in ein Buch und die Kohle in eine Tupperdose legen. Das funktioniert hier überall! Außerdem gibt es eine Rangerstation mit schicken EU-finanzierten Toiletten und Duschen – und ohne Ranger. Auch Canna ist in den 80er Jahren ans Volk verschenkt worden und wird nun von einem staatlichen Trust verwaltet. Das Haus des ehemaligen Besitzers kann besichtigt werden und hat einen sehr schönen Garten. Wir unternehmen eine kleine Wanderung und sind schwer begeistert von der Insel. Wir könnten uns kurz vorstellen hier ein „Cannapé“ zu haben. 2007 wurde versucht die Insel neu zu besiedeln. Die neuen Siedler haben die Insel 2011 wieder verlassen und damit auch der Lehrer. 

Wir werden früh von kläglichem Geheule geweckt. Wenn es neblig gewesen wäre, hätten wir uns gewiss gegruselt. Aber der Blick aus dem Salonfenster erklärt das Jaulen. 50m von unserem Liegeplatz wälzen sich die Kegelrobben mit ihren Heulern auf den Algen bei ablaufendem Wasser. Bis zur nächsten Flut bleiben sie auf den Felsen und freuen sich, dass sie nicht nass werden, denn es regnet nicht. In unregelmäßigen Abständen erschallt ihr lautes Heulen und erschüttert unser Gemüt. Es sind prächtige Tiere und ich stelle mir eine Begegnung beim Schwimmen (rein hypothetisch) mit ihnen vor. Ihr freundliches Aussehen, das kuschlige Fell und die gemütliche Haltung lassen uns schnell vergessen, dass es sich um schnelle Raubtiere handelt. Also verzichten wir aufs Kuscheln.

Wir verschwinden nach 2 Tagen aus Canna und verholen uns in die 11 Meilen südlich gelegene Ankerbucht der Isle of Rhum und machen an einer Mooringtonne fest. Rhum wird von 22 Menschen fest bewohnt, ist zum Teil bewaldet und hat eine 1000 Exemplare umfassende Rotwildpopulation. Auch hier soll es Adler und Seeotter geben. Alle Inseln werben mit Adlern und Seeottern. Wir glauben, dass es sich dabei um Touristennepp handelt. Wir haben noch keinen gesehen. Bei der Einfahrt in die Bucht werden wir von dem Anblick eines viktorianisch nachempfunden Schloss beeindruckt. Das Kinloch Castle wurde 1901 als Sommersitz des Millionärs George Bullough gebaut. Nach seinem Tod übergab seine Witwe das Schloss 1957 an eine staatliche Stiftung. Mittlerweile ist das Museum seit Corona geschlossen und das Hostel bietet seit 2012 keine Übernachtungen mehr an. Das Schloss ist für 1 Pfund zu haben mit der Verpflichtung die 20 Millionen Pfund Sanierungskosten zu tragen. Der Blick durch die Fenster eröffnet uns, dass das Schloss komplett eingerichtet ist. Wir sehen die Bibliothek, das Speisezimmer, den Salon – alles verstaubt und verschlissen, aber von der alten Pracht zeugend. Bei der Wanderung durch den Wald nehmen wir das Rauschen des Windes in den Kronen der Bäume bewusst wahr und es stellt sich heimatliches Gefühl ein. Seit 3 Monaten hatten wir keinen Waldsound mehr. Dabei stellen wir fest, dass wir heute Bergfest haben und nun die Zeit gegen uns läuft in 86 Tagen müssen wir wieder in Deutschland sein.

Im Canna Cafe werden wir als Deutsche identifiziert. Moni aus Bayreuth lebt seit 1991 in Schottland und hat Verwandtschaft in Döbeln. Sie frühstückt ausgiebig, während John, ihr Mann, versucht die elektrische Toilette zu reparieren. Wir treffen sie in Rhum wieder und sie laden uns zum Wein auf ihre über 50 Jahre alte „Flyaway“ ein. Sie gesteht uns Geburtstag zu haben und wir sind ihre Gäste. Wir verleben einen sehr lustigen kurzweiligen Abend bei Rotkäppchen Sekt und schwäbischem Landwein.

Das unbeständige Wetter, der sicher Liegeplatz und die wunderbare Natur veranlassen uns noch einen Tag hier zu bleiben. Ute hat einen „Otterwish“. Ein eigens eingerichteter „Ottertrail“ verspricht Otterbeobachtung aus kurzer Distanz. Wir setzen also wieder über und laufen den Ottertrail, aber wie erwähnt, bleibt Utes Wunsch unerfüllt. Zum Trost laufen wir noch im strömenden Regen durch den nicht mehr vorhandenen Schlosspark. Ute hat Erbarmen mit mir und bietet Umkehr an. Morgen ziehen wir weiter nach Süden. Die Isle of Eigg, Muck und Mull stehen auf den Sightseeing-Programm.

3 Kommentare

  1. Hallo ihr zwei,
    wäre doch mal ein Projekt für euch „Schlosskauf“ und dann mit der ganzen Sippe nach Schottland?😅
    Ist wirklich schön mit euch zu reisen, wieder ein kurzweiliger Bericht. Lieben Dank und gute Weiterreise ⛵️
    Die Taras-Crew grüßt euch aus Trondheim

    1. Hallo Taras-Crew, ja, das wäre ein interessantes Projekt. Aber man könnte gemeinsam euch eine Insel kaufen und müsste nicht 20 Mille versenken. Wir denken mal darüber nach. Die Insel Eigg ist auch von den Bewohnern gekauft worden. Wir suchen mal was Hübsche aus… 😁 Grüße aus Tobermory! Atze und Ute

  2. Liebe Ute und Axel
    Toller Bericht, ist doch schön zu lesen, dass auch nicht nur wir Probleme haben, die im Moment unlösbar erscheinen und sich später als Peanuts entpuppen. ;))))Liebe Grüsse Suma

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