Ready for a Drum!

In der Nacht bescheren uns Regenwolken heftige Winde und ein Liegen in Längsrichtung ist kaum möglich, da Freikerl an der Boje kräftig schwoit und ordentlich überholt, wenn der Wind von der Seite einfällt. Zum Abendbrot rutschen schon mal die Gläser vom Tisch. Ich ziehe in den Salon und Ute kann sich im Vorschiff quer verkeilen. Am Morgen lässt der Wind nach und wir segeln zur Insel Eigg, um in einer von vielen Riffen umgebenen kleinen Bucht den Anker fallen zu lassen. Wir beschließen am nächsten Morgen gleich weiter nach Muck zu fahren, um diesen Plan am folgenden Tag auch gleich wieder zu verwerfen. Also geht das Dinghi zu Wasser, die schicken Räder werden montiert, die Paddel angeschraubt, der Motor wird am Galgen hinabgelassen und der Tank wird verstaut. Alles ganz schön aufwändig, aber es geht nicht anders, wenn Utes Bewegungsdrang befriedigt werden muss. Caves müssen heute besichtigt werden. Dies sind nur bei Ebbe zugänglich, da bei Flut kein Weg dahinführt. Wir unternehmen eine sehr, sehr schöne Küstenwanderung und steigen über enge Pfade die Steilküste hinab, um über die Steine zur Höhle zu gelangen. Die Höhle entpuppt sich als ein großes Loch, welches das Meer in den letzten tausenden Jahren in den Felsen gespült hat. In die kleine Höhle will Ute gar nicht erst einsteigen, ein Schild davor warnt vor herabfallenden Felsbrocken. „Die große Kathedrale“ ist nicht sonderlich spektakulär, dafür aber die unglaublichen Ausblicke bei Sonnenschein über die Hebridische See zu den anderen Inseln und zum „schottischen Festland“ um so mehr. Der grüne Überzug der Berge und Hänge in allen Nuancen erinnern mich immer in ihren matten Tönen an den Pelz des Wackeldackel, den jede Trabantheckscheibe zieren musste. Ja die Briten sprechen tatsächlich von „Festland“, wenn sie von ihrer Hauptinsel sprechen. Naja, irgendwie leben wir ja alle auf einer Insel… Eigg ist eine sehr schöne Insel mit dem größten monolithischen Felsen Großbritanniens (über eine Meile lang) als Krönung der Silhouette der Insel. 100 Einwohner teilen sich die 30 qkm große Insel, die sie 1997 gekauft haben. Schöner Gedanke: Eine Insel in der Gemeinschaft zu kaufen – Hiddensee? Poel? Rügen? Bornholm? … https://www.arte.tv/de/videos/112475-007-A/re-trauminsel-eigg/ (Dokumentation ist sehr interessant)

Durch die umgebenden Riffe verändert sich die „Wasserschaft“ (Landschaft ist es ja nicht) je nach Gezeit ständig und es entstehen neue Ausblicke. Es ist nahezu regenfrei und wir genießen die Temperaturen weit über 15 Grad. Ab 20 Grad ist es für mich fast unerträglich heiß. Eigg haben wir zum Heimatrevier erklärt und die Insel Muck von der Besuchsliste gestrichen, da wir nach Tobermory auf Mull wollen. Bei spiegelglatter See motoren wir die knapp 20 Seemeilen nach Mull. Die Fahrt dauert länger, da immerzu Minkwale, Delfine, Robben und Schweinswale uns die Richtung und Geschwindigkeit ändern lassen. Bei strahlendem Sonnenschein und weißen Wolken ist das Zusammentreffen mit den Tieren aufregend und ein wunderbares Erlebnis. 

Das kleine Städtchen Tobermory im Nordosten von Mull wurde 1788 als Fischerort für die Heringsfischerei gegründet und hat heute knapp 1000 Einwohner. Die bunten Häuser schmiegen sich pittoresk um eine große und geschützte Bucht. Der Tourismus hat der Fischerei den Rang schon seit langem abgelaufen und so mäandern wir über die schmalen Gehsteige zwischen den vielen Touristen hindurch. Souvenirläden, Soapshops, Giftshops, Eisbuden, Restaurants und Wildlife Eventfirmen bieten ihr Angebot den zahlreichen zahlenden Touristen an. Fußläufig 150 m von unserem Liegeplatz entfernt, befindet sich die berühmte „Tobermory Destillerie est. 1798“. Ute bucht eine Führung durch die Produktion mit anschließender Verkostung. Doch vorher muss ich mir den köstlichen Schluck mit einer Wanderung zu den Wasserfällen verdienen. Ja, im wüstentrockenen Schottland freut man sich über jedes Tröpfchen Feuchtigkeit! Und so laufen wir, nachdem wir früh im 2 Kilometer entfernten Fischladen das Abendbrot erbeutet haben, zum 4 Kilometer entfernten Wasserfall. Auf dem Rückweg regnet es auch noch, so dass unser Wasserhaushalt nach mehr als 10 km Fußmarsch wieder in bester Ordnung ist. Die Wege sind schlammig und steil, deswegen klaube ich mir die Wanderstöcke aus dem Rucksack. Wenn ich mir das Knie verdrehe, muss Ute mich abbergen lassen und die Reise ist vorüber. Also Vorsicht! 

Der Chef der Destillerie führt uns durch die Produktion und erklärt auf eine sehr lustige und einprägsame Weise den Produktionsprozess. Wir sind 20 Besucher in 2 Gruppen aus Polen, Holland, Schottland, England und Deutschland. Olivier, der Boss, ist gebürtiger Schweizer, Showmaster, beherrscht 6 Sprachen und unterhält uns eine Stunde lang auf angenehmste Weise. Zum Schluss gibt’s die Verkostung im Drum, dem kleinen bauchigen Schnapsgläschen, aus dem der Whisky genossen wird. Mit der: „Ready for the drum?“ Frage, führt er uns in den Verkostungsraum, wo ihm alle an den Lippen hängen und er im Stile von „Mario und der Zauberer“ die Geldbörsen lockert und bei allen Anwesenden 1-2 Fläschchen in den Einkaufsbeutel zaubert. Bei uns sind auch noch 6 Drums dabei. Kein Ding, es gab ja 5 £ Nachlass, weil wir ne Führung gebucht haben. Dennoch kann ich eine Führung bei Olivier, dem CEO, sehr empfehlen! Ausgesprochen informativ und mit enormen Unterhaltungswert. Was will man mehr?!

Vor genau 10 Jahren haben wir meinen 51. Geburtstag in Peterhead an der Ostküste Schottlands gefeiert. Heute altere ich an der Westküste. Es gibt Schlimmeres! Ute unterzieht mich am ersten Tag meines neuen Lebensjahrs einem Leistungs- Screening, bei dem ich 17 km wandern muss, um die Burg „Duart Castle“ zu besuchen. Die Burg ist der Stammsitz des MacLean Clans und der 28. „Chief of Clan MacLean“, Sir Lachlan Maclean, führt uns mit whiskyroter Nase persönlich durch die vermutlich von ihm selbst gestaltetet Ausstellung. Alles wirkt etwas verstaubt, unmodern, doch mit viel Liebe und Enthusiasmus betrieben und wir hätten uns gewünscht, dass ein professioneller Ausstellungsgestalter den Fundus sortiert und präsentiert hätte. So sieht es etwas nach Heimatmuseum aus. Doch die Burg ist beeindruckend und befindet sich an exponierter Stelle am Südende des Sound of Mull mit atemberaubender Aussicht auf den Firth of Lorn, die Highlands und deren höchsten Berg, den 1345 m hohen Ben Nevis. Der Clan hat die Burgruine 1912 zurückgekauft und aufwändig in den letzten 100 Jahren als Stammsitz saniert. Der Bus aus Tobermory fährt nur bis Craignure, dem angeblich 7 km entfernten Fährhafen. Das Taxi zur Burg soll 50 £ kosten, also laufen wir. Wir wählen natürlich einen Umweg und laufen durch die schönen grün bemoosten Märchenwälder. Ute, die „Trüffelsau“, macht Ihrem Ruf wieder alle Ehre und findet eine große Menge Pfifferlinge. Wir haben die Mahlzeit für morgen schnell im Wald der MacLeans eingesammelt und in unserem Rucksack versteckt. Auf dem Weg laufen wir am Schloss „Torosay“ vorbei, was leider nicht zu besichtigen ist und ebenfalls den MacLeans gehört. Dieses ist allerdings erst 150 Jahre alt und angeblich vermietet. Dazu gehören weitläufige Wiesen und ein großes landwirtschaftliches Gut. Die Vorstellung als Landlord hier zu residieren gefällt mir gut und ich hänge während der Lauferei meinen Phantasien nach. Wenn ich einmal groß bin, dann werde ich Landlord! Natürlich stimmen die Entfernungsangaben in unseren Wanderapps nicht und wir haben weniger Zeit die Burg zu inspizieren. Der Rückweg wird zur straffen Wandertour, ohne ein Auge auf weitere Pilze werfen zu können. Wir erreichen unseren Bus pünktlich und während der 45-minütigen Rückfahrt nach Tobermory kann ich mich etwas erholen und die alten Knochen wieder zurechtschütteln. Ute besorgt als Geburtstagsmahl eine sensationelle Seafoodplatte. Dann muss ich mich an den Wochenbericht machen, denn morgen geht es weiter nach Süden in den Loch Aline. Wenn alles klappt, muss ich das Boot nicht verlassen und nicht laufen. Ich werde berichten.

2 Kommentare

  1. Lieber Atze, vielen, vielen Dank für die tollen Berichte eurer Reise. Bisweilen muß ich beim Versuch Orts- oder Burgnamen nachzusprechen an Evelyn Hamann und Loriot denken.Liebe Grüße Tom

  2. Hallo ihr Zwei, da wart ihr ja wieder sehr fleißig. Wir möchten dir, lieber Axel, noch dolle und nachträglich zum Geburtstag gratulieren. Glück und Gesundheit wünschen wir und eine erlebnisreiche Weiterreise.
    Es macht immer wieder Freude eure Berichte zu lesen.
    Bis bald und liebe Grüße von eurer Taras-Crew

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.