Sonnenbrand im Schottenland

Während unserer Abwesenheit hatten wir den Kühlschrank angelassen, in der Hoffnung, dass die Solarpaneele genug Strom erzeugen. Das Voltmeter steht bei 11.8 Volt. Zu wenig und ich hoffe, dass die Batterien keinen Schaden genommen haben. Es muss in den letzten 6 Tagen keine Helligkeit gegeben haben. Wir verholen uns an den Steg, Ute will die Waschmaschine malträtieren und wir müssen einkaufen, der Kühlschrank hat nur etwas Käse und einige Getränke gekühlt. Außerdem können wir die Batterien laden. Der Wetterbericht kündigt Sonnenschein an. Wir beschließen noch eine Nacht zu bleiben und am Ende des Fjordes das Herrenhaus von Ardtornish zu besuchen, welches jetzt luxuriöse Ferienwohnungen beherbergt und einen sehr beeindruckenden Park haben soll. Wir schnüren die Wanderschuhe und laufen am Loch Aline durch dichte Wälder mit beeindruckend großen Douglasien, Buchen und Eichen an das Nordende unserer wundervollen Ankerbucht. Der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen. Der Park fügt sich beeindruckend in die schottische Natur, und wir lernen viele neue Pflanzen kennen: „Chilenischer Riesenrhabarber“, „Amerikanischer Stinktierkohl“ auch „Stinkender Willie“ genannt, „Riesen-Schachtelhalm“, riesige „Sitka-Fichten“ und „Douglasien“, „Immergrüne Magnolie“, „Schöne Leycesterie“ und viele andere mehr. Ich – als Botanikersohn – bin schwer beeindruckt. Leider hat Vaters Profession bei mir keine Spuren hinterlassen und so befrage ich die fantastische App „Flora Incognita“. Die Sonne scheint und wir genießen den nahezu wolkenlosen Himmel. Ich lästere schon seit den Shetlands über die vielen Regalmeter mit Sonnencreme in allen Härtegraden. Ladenhüter, die jeden Supermarkt in Schottland zieren. Aber bei solchem Wetter muss nicht nur die fahle Schottenhaut geschützt werden. Natürlich habe ich mich nicht eingeschmiert und so brät mir die Sonne etwas Farbe ins Gesicht. Ute war natürlich vernünftig. Am Abend sitzen wir auf der Terrasse der kleinen Marina und sehen beim Aperol Spritz der Sonne beim Untergehen zu. In der Nacht steht der volle Mond bei klarem Himmel über den Bergen und leuchtet in unsere Kojen. Wir sind verzückt und beschließen noch einen Tag in unserer Traumbucht zu bleiben. Am Sound of Mull thront hoch oben auf einer Klippe die Ruine des Ardtornish Castle. Am Morgen lassen wir das Dinghi zu Wasser, schrauben Motor und Räder an und setzen zur anderen Seite des Loch Aline über, wo wir an einer kleinen Rampe anlanden können. Der Weg zum Castle führt durch blumige Wiesen, an Brombeerhecken, lustigen Ferienhäusern, Kuh- und Schafweiden und steilen Küstenabschnitten vorüber. Die Sonne zeigt was sie kann und wir haben über 30°C im Schatten. Wieder nicht eingecremt. Der Nacken ruft nach „After Sun Creme“. Nach 5 km erreichen wir den Haufen alter Steine, der mit viel Fantasie als ehemaliges Castle gedeutet werden könnte. Jedoch ist die Aussicht über den Sound of Mull umwerfend und so setzen wir uns auf die geschichtsträchtigen Steine aus dem 12. Jhdt. und träumen uns aufs Wasser und in die Berge hinaus. Ute ist unruhig und fordert mich zum Weitergehen auf. Wir wollen noch zum kleinen Leuchtfeuer am Fuße der Halbinsel auf dem der Steinhaufen liegt. Wir steigen ab, setzen uns auf die Lavaklippen und sehen den jagenden Delfinen in der starken Strömung zu. Das Wasser glitzert silbrig in den unterschiedlichen Strömungsfeldern des Sound of Mull. Wir haben Springtide und gewaltige Wassermassen wälzen sich durch die Meerenge. Damit auch beträchtliche Fischschwärme. Einige Meter weiter angelt ein Schotte und ruft uns Unverständliches zu. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nicht verstehe, was er meint. Dann ruft er: „Fish! Selfcocking! Do you like??“ Klar liken wir. Wir bekommen einen ansehnlichen Pollack geschenkt. Ich vermute, dass es an meiner ausgemergelten, asketischen Erscheinung liegen muss, dass wir so häufig Fisch geschenkt bekommen. Ich danke dem Herrn, denn nun müssen wir zurück zum Schiff, denn die Sonne brät unser Fischlein schon in dem Beutelchen gar. Wir laufen zurück zu unserem Tender und müssen durch eine wild muhende Herde Kühe, die versehentlich ihren Weidezaun und ein kleines Mäuerchen niedergetrampelt und damit den Anschluss zum Leittier verloren hat. Äußerst respektvoll passieren wir eine Kuh und mehrere Kälber in 3 Meter Entfernung, reden ihnen gut zu, dass wir wegen des Fisches dringend zum Dinghi müssen und wir eigentlich gar kein Rindfleisch essen – nur Fisch und manchmal Schwein. Sie glauben uns die Geschichte und lassen uns unbehelligt von dannen ziehen. Auf dem Weg naschen wir von den Brombeeren, die, wenn sie am Südhang reifen, schon schön süß sind. Mittlerweile ist Ebbe, unser Beiboot liegt 40 m von der Wasserlinie entfernt und wir rollen es auf seinen hübschen gelben Rädern über Teppiche aus Algen und Blasentang ins Wasser, ziehen uns die Schuhe aus, krempeln die Hosenbeine hoch und springen, als es endlich aufschwamm, hinein um den Motor anzureißen. Der See liegt spiegelglatt und wir knattern ans andere Ufer zu unserem Freikerl. Während Ute den Fisch ausnimmt und küchenfertig filetiert, lasse ich mich vorsichtig ins 13 Grad kalte Wasser gleiten um meinen vollkommen überhitzten Leib herunterzukühlen. Die obere Wasserschicht ist schon etwas angenehm temperiert, aber wenn man sich senkrecht ins Nass gleiten lässt, dann droht der Erfrierungstod schon in 50 cm Tiefe. Nur die Nachbarn schwimmen gelassen 20 Minuten und schnattern dabei entspannt. Die spinnen, die Schotten!

Nächster Morgen. Schottland. Nebel. Unheimliche Dunst- und Nebelschwaden liegen auf dem Wasser. Am späten Vormittag soll sich der Nebel verziehen. Die Strömung treibt uns aus unserem See, wir wollen mit ablaufendem Wasser nach dem Frühstück nach Oban, um den Tag an einer Mooringtonne vor der Insel Kerrera gegenüber von Oban zu verbringen. Wir lauern auf einen Liegeplatz in der Oban Transit Marina. Eine Reservierung ist nicht möglich, die Liegeplätze werden nach dem Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“ vergeben. Man darf nur 3 Tage bleiben und das Boot darf nachts nicht unbeaufsichtigt bleiben. Die Stege sind nach Westen offen und bei schlechtem Wetter ist die Marina ungeeignet oder sehr unruhig. So hat der letzte Sturm den Schwimmsteg und Wellenbrecher vor den Boxen einfach zerrissen. Nun hat die Marina in der Hochsaison gut 20 Liegeplätze weniger. Nach dem Frühstück sehen wir, wie sich die Marina leert und wir verholen uns die dreiviertel Meile nach Osten in den, im Zentrum von Oban befindlichen Hafen. Alles funktioniert und im Laufe des Tages füllt sich die Marina wieder. Es ist Freitag und viele Crews verlassen ihre Charterboote und die neuen Besatzungen schauen schon mal nach ihren Booten.  Wir bereiten unseren Freikerl auf die Gäste vor. Aufräumen, Saugen, Wischen, Putzen, Einkaufen. Das alles bei schönstem Sommerwetter in T-Shirt und Shorts. Die Schotten behaupten immer das Wetter sei ihnen egal, aber reden von nichts anderem. „What a nice Summerday! Sunny Weather! etc. Und das Beste ist: Es bleibt erstmal so! Wir schlendern durch die sehr hübsche Stadt, kaufen Jakobsmuscheln für das Abendessen, vernaschen einen Garnelensalat auf der Hafenmole, trinken im „The Oban Inn“ ein Bier und beim Italiener einen Kaffee. Das „The Oban Inn“ ist ein alter Hafen-Pub und die inneren Wände sind mit Seekarten tapeziert. Sehr urig. Über der Stadt sind Dudelsackklänge zu hören, machen das fantastische Klischee Schottlands komplett. Die Schottinnen zeigen im Spagetti-Top halb nackt ihre Bäuche, manchmal schau ich lieber weg, aber manchmal ist der Anblick sommerlich erbaulich. Am Samstag früh werden wir durch Saxophonklänge aus dem Cockpit des Nachbarbootes an Deck gelockt. Ein Crewmitglied spielt zur Begleitung aus der Konserve wunderschöne sentimentale Klassiker. Wir kommen ins Gespräch. Sie sind aus Russland und der Ukraine, leben aber jetzt in Süddeutschland. Während Putin und Trump über die Aufteilung der Welt verhandeln, findet neben uns das normalste Zusammenleben statt. Ich bin durch die Situation und das Gehörte derart ergriffen, dass ich mir vor Rührung die Feuchtigkeit aus den Augen wischen muss. Und ich frage mich, warum es immer wieder machthungrige Männer schaffen, Krieg, Hass und Unglück zu verbreiten? Und noch aufregender ist die Frage, warum Millionen von hirntoten humanoiden Lemmingen ihnen folgen!

Das schöne Wetter vertreibt bald die trüben, herzschweren Gedanken und wir ziehen wieder unsere Bahnen durch das Städtchen und laufen u.a. zum „Dunollie Castle“ oberhalb der Hafeneinfahrt. Der Eintrittspreis von umgerechnet 15 Euro p.P. verschreckt uns. Wir haben schon viele alte und kaputte Steinhaufen gesehen – kostenlos. Also verzichten wir auf die Besichtigung und werden die Kohle in eine Verkostung in der „Oban Destillerie“ investieren. Bis dahin bereiten wir uns und Freikerl bei herrlichstem Sommerwetter auf die heute eintreffenden „Kinder“ vor.

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