„Fische bei die Butter!“ (Zitat „Kombüse“)

Das Essen spielt in unserem Leben eine bemerkenswerte Rolle, so auch auf den Reisen. Nicht umsonst bestimmt die Qualität der Küche, die Moral der Mannschaft. Weit entfernt von Gourmetküche und noch weiter von den „Dekoköchen“, die mehr fürs Auge als für den Geschmack tun, macht uns Kochen dennoch großen Spaß und ist mitentscheidend für den Wohlfühlfaktor unseres Lebens an Bord. Oft geht schon nach dem Frühstück die Frage nach dem: „Was essen wir heute Abend“ über den Tisch. In Ländern, wo die Lebensmittel auf dem Markt gekauft werden können, ist die Vorfreude auf das abendliche Kochen besonders groß und auch der Abenteuerfaktor größer, da man oft nicht immer weiß, wie die Zutaten verwendet und zubereitet werden müssen. Auch fällt es häufig schwer sich bei der unüberblickbaren Auswahl und Vielfalt zu entscheiden. Diese Probleme haben wir in skandinavischen und schottischen Gefilden nicht! Märkte gibt es so gut wie keine, manchmal verkauft ein Händler etwas aus dem Wagen, das ist dann aber meist unbezahlbar. In den Supermärkten ist es schon schwierig das Obst und Gemüse ungekühlt zu bekommen. Das Runterkühlen des frischen Gemüses auf die Gefriergrenze ist eine Unsitte und verkürzt die Haltbarkeit unnötig. Eine der letzten Salatgurken hatte Frost abbekommen und war somit ungenießbar. Das Gleiche ist uns mit Kartoffeln passiert. Bei den hiesigen Wassertemperaturen sind die Lagermöglichkeiten unter FreiKerls Bodenbrettern mit ca. 12° ideal. Natürlich versuchen wir auch frischen Fisch zu bekommen. Unser Angelglück hat bisher nicht genügt, um uns auch nur einmal ein Abendbrot zu bescheren, allerdings sind wir auch nicht sonderlich eifrig und haben schlicht keine Ahnung davon. Also fragen wir die „Locals“ nach Fischverkauf. Fehlanzeige! In Norwegen haben wir in Stavanger 1x beim Fischer direkt etwas bekommen, ansonsten angelt dort jeder sein Abendbrot selbst und auf den Shetlands gab es gar nichts, außer ein Eimer voll Jakobsmuscheln vom freundlichen Fischer im Tausch gegen eine Flasche sardischen Wein. In Kirkwall fragen wir den freundlichen Hafenmeister nach frischem Fisch. Er grinst und fragt uns, ob wir den meinen, der direkt aus dem Meer kommt und gleich zubereitet wird. Das jedenfalls verstehe er unter frischem Fisch. Wir nicken eifrig, er lächelt bedauernd und schüttelt den Kopf. Ne, all der Fisch, der hier angelandet wird, geht nach Schottland auf die Hauptinsel, wird dort verarbeitet und kommt auf Eis dann wieder zurück nach Kirkwall in das einzige Geschäft, was mit Frischfisch handelt. Er hat aber noch nie Fisch aus dem Laden gegessen und wenn wir es probiert haben, sollen wir ihm sagen, wie es war. Wir können das nur als Warnung verstehen und gehen zum Fleischer und kaufen Kalbsleber.

Gerne probieren wir auch Speisen, die ansonsten nicht auf unserer Speisekarte stehen, wie Haggis und Blackpudding in Schottland oder Schafafter in Palermo. Nicht immer kommt es dabei zu einem kulinarischen Orgasmus, aber wir können uns dann wenigstens ein Urteil erlauben – im Gegensatz zu den meisten voreingenommenen Mäklern. Die Küche auf FreiKerl ist aber auch gerne traditionell. Da ich keine kleinen Portionen kochen kann, habe ich mir in dem halben Jahr vor unserer Reise angewöhnt, von allem möglichst viel zu produzieren, um dann die überschüssigen Portionen in Gläsern einzukochen und mitzunehmen. So haben sich fast 50 Gläser a 1 Liter in unsere Backkisten verirrt und ernähren uns, wenn wir mal keine Lust zum „groß Kochen“ haben, wenn wir auf See übernachten müssen, erst spät im Hafen oder in der Ankerbucht sind. Da gibt’s dann Gulasch, Reh, Wildschwein, Hühnchen, Boullion, Sauce Bolognese im Original oder als Basis für Abwandelungen. Um Propangas zu sparen, haben wir uns eine Induktionsplatte zugelegt und damit die Außenküche in FreiKerls Cockpit eröffnet – wenn wir Landstrom haben. Leider sind die Gasflaschen und deren Anschlüsse in Europa nicht genormt, so dass ein Befüllen häufig nicht möglich ist. Eine landesübliche Flasche müssten wir kaufen, so sie dann in unseren Flaschenkasten passt. Das sind lösbare Probleme, aber oft zeitraubend, da die Füllstationen häufig außerhalb der Stadt in Gewerbegebieten liegen, zu denen man dann auf gut Glück mit dem Taxi fahren muss, wenn der Taxifahrer uns mit unserer Gasflasche überhaupt mitnimmt. Im Bus wird man mit Gasflasche normalerweise nicht mitgenommen, oder die Abteilung „Gefahrenbeurteilung“ stuft uns als potenzielle Terroristen ein. 

Wir gehen auch gerne Essen und lassen uns verwöhnen. Im Norden ist dies jedoch nicht so einfach wie bei uns oder im Süden Europas, in Asien oder in der Karibik. Es gibt viele „Take away“-Buden indischer, asiatischer oder italienischer Prägung sowie „Fish and Chips“-Stände, aber klassische Restaurants sind rar, wenn oft auch gut, aber ohne Vorbestellung geht nix. Auch werden diese häufig nur zur Mittagszeit betrieben. In Lerwick waren wir in einem Steakhouse hervorragend essen. Das Steak gab es in 8 oz oder 16 oz. Wir kannten die Gewichtsumrechnung zwischen Unze und Gramm nicht. So habe ich natürlich, maßlos wie ich bin, das große Steak genommen, von dem mir die Kellnerin sagte, dass ich das schon schaffen werde. (Auch sie kannte die Umrechnung nicht) Ute war vernünftiger. Das 450 g Steak war hervorragend, medium gebraten und brachte mich schon dicht an mein Fassungsvermögen. Dennoch fragen wir uns immer wieder, wie es viele britische Köche geschafft haben, das Vorhandensein von Gewürzen aus aller Welt zu ignorieren. Als Kolonialmacht Nr. 1 auf der Welt gäbe es diese doch im Überfluss. Selbst Salz scheint oft noch unbekannt.  

Wir vermissen selten etwas in anderen Ländern. Allerdings gutes Brot „könnse alle nich!“ Daher hat Ute den Sauerteig eingepackt und bäckt häufig unser Brot. Das kostet aber wieder viel Gas, zumal unser Herd nicht sonderlich leistungsstark ist. Auf Anregung von der Taras-Crew besorgen wir uns einen Brotbackautomaten in Kirkwall, vergessen aber, dass unsere Stromadapter alle von deutschen Schuco auf englische Stecker gehen, aber nicht umgekehrt. Ute durchforstet die Geschäfte und wird tatsächlich fündig. Jetzt bäckt bei uns „Pana+Sonic“ (ital. Brot + engl. Schall) unter Kombüses Ägide köstliches Sauerteigbrot. 

Auch auf den Äußeren Hebriden gab es kaum Fisch oder Meeresfrüchte im Geschäft. Man muss Glück haben und direkt beim Fischer etwas erstehen, oft bekommt man es geschenkt. Hier fischt jeder selbst. Ansonsten funktioniert die Versorgung problemlos, auch wenn die Auswahl selbst bei den größeren Supermärkten (COOP, Lidl, Tesco, etc.) nicht so vielfältig ist, wie wir das gewöhnt sind. Leider sind die Läden häufig nicht fußläufig zu erreichen, so dass wir mit dem Bus fahren müssen. Aber auch das macht Spaß und man lernt viele Leute kennen, denn überall werden wir angesprochen. Ein kurzer Schwatz über Wetter, Körpergröße, woher und wohin muss immer sein. 

Der Hafenmeister von Lochboisdale schenkt mir von der Dusche kommend 6 fette Makrelen. Ute hatte vegetarisch geplant und ich platziere meine Beute, bevor Ute am Boot ist, als Überraschung im Cockpit. You Tube zeigt uns wie man Makrelen richtig filetiert und die „Kombüse“ zaubert ein atemberaubendes Ceviche und brät die andere Hälfte der Filets in der Pfanne. Dazu gab`s in der Pfanne geröstetes Ciabatta mit Oliven. Wir sind im kulinarischen Seglerhimmel! 

Ich koche eigentlich auch sehr gern und VIEL, aber das Kochzepter auf Freikerl hat alleinig Ute in der Hand und überlässt mir maximal die Bedienung unseres Gasgrills. Dafür kümmere ich meist um den Abwasch, was kein guter Deal ist, da Ute den Küchentrakt häufig wie ein Schlachtfeld hinterlässt und der Abwasch oft länger dauert als das Kochen und Essen zusammen. 

Das Leben auf dem Boot ist hart, karg und entbehrungsreich, so dass wir noch nicht abnehmen konnten.

Achtung! Kind an Bord!

Seit 6 Tagen sind wir mit Nina, Julian und Alma bei schönstem Sommerwetter unterwegs. Das 10 Monate alte Enkelkind nimmt Raum für vier ein und auf Freikerl geht es eng zu. Aber „in Familie“ und mit einer etwas erhöhten Toleranzschwelle stellt das kein Problem dar. Alma nennt schon 4 Zähne ihr Eigen und somit bekommt sie feste Nahrung. Zum Glück mäkelt sie gar nicht und isst das, was auch wir essen. Allerdings ist die Ernährungsmethode der Eltern uns etwas fremd. Der Filius soll seine Nahrung selbst zu sich nehmen und dabei wird besonderen Wert auf die haptische und orale Entdeckungsreise, die die Kleine während der Mahlzeiten unternimmt, wert gelegt. Das bedeutet, sie wird nicht mit dem Löffel oder den Fingern gefüttert. Sie macht das selbst. Folglich ist im Aktionskreis der Süßen unser Freikerl flächig mit Frischkäsetoast, Ei, Reis mit Gemüse, Thunfischnudeln, Milch, Wasser, etc. beschmaddert. Wir pulen die Essensreste gerne aus den Schraubenschlitzen und Scharnieren und den Lücken zwischen den Bodenbrettern. Um zukünftig gewappnet zu sein, haben jetzt ein Forschungsprojekt an der Uni Greifswald ins Leben gerufen, um Mikroben zu züchten, die im Laufe der nächsten Jahre die Speisereste aus Freikerls Fugen fressen – ohne Schiff und Mannschaft zu schädigen. Bis dahin trösten wir uns mit dem Glauben, dass „früher nicht alles schlecht war“. 

2 Kommentare

  1. Ihr Lieben,….. eure Erfahrungen kann ich nur teilen, manchmal frag ich mich, wie unsere Kinder gedeihen konnten, obwohl sie gefüttert wurden. Aber, viele Wege führen nach Rom, und unser Enno ist Beispiel, dass es letztlich egal ist, wie die Nahrung ins Kind gelangt, und geklebt und gekrümelt und gekleckert wurde ja trotzdem, wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden.
    Habt noch ganz viel Spaß miteinander, seid gegrüßt aus Halle

  2. Also die Fotos von euren Köstlichkeiten sind ja wirklich ausverschämt. Nicht nur, dass ihr uns super Reiselust auf Schottland macht— jetzt haben wir auch noch Appetit.😉⛵️😋
    Wie immer ist der Bericht ein Genuss.
    LG eure Taras-Crew

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