von Holger Körner
Daddeldu geht auf die Reise. Runter vom Cossi, rauf auf den Trailer – hinaus in die weite Welt wollen wir segeln. Mit Daddeldu, 40 Jahre alt, ein „Zugvogel“, eine Wanderjolle, die noch nie das Salzwasser der Ostsee gekostet hat. Das Takka-Tukka Land, der schwedische Schärengarten ist unser Ziel. Da wachsen 20.000 Inseln, nein, 24.000, andere behaupten 25.000. Wir schauen mal nach – drei Wochen haben wir zum zählen und zum Trolle füttern, zum baden mit Meerjungfrauen. Peter Pan soll uns da hinbringen. Ein märchenhafter Urlaub wartet auf uns.
Morgens um 10 geht es los: Peter Pan ist gar nicht winzig! 200 Meter lang und 30 Meter breit ist diese Schwedenfähre. In acht Stunden bringt sie uns nach Trelleborg – Schwedens südlichster Stadt. Hier spuckt Peter Pan uns aus. Das Stahlmaul öffnet sich, und unser Gespann rattert die Stahlrampe heraus. Wir kullern hinunter auf die E4, ein dicker rotweißer Strich auf der Autokarte, ziemlich lang. Und elchsicher. Um die komplette Trasse sind hohe Wildzäunen gespannt.
Ziel ist die Stadt Trosa, unser Tor zum Schärengarten kurz vor Stockholm, 650 Kilometer vom Fährhafen entfernt. Eine komfortable Strecke ist das, ein Highway wie aus dem Bilderbuch: Vierspurig, wenig Verkehr, keine Baustellen – hier cruisen wir wie all die anderen im Lastwagentempo. Ja, wir entschleunigen auf dieser Europastraße schnell. Bushaltestellen gibt es auf der Autobahn – damit die Dörfler auch ohne Auto zur Arbeit oder zur Schule pendeln können. Leise fahren wir durch Wälder von Birken und Kiefern, vorbei an Truckstops mit Badesee und Bed & Breakfast, staunen über die unzähligen Golfplätze, auf denen in der Abendsonne kräftig die Schläger geschwungen werden. Golf ist Volkssport in Schweden. Und Rasenmähen auch!
Motorengebrüll holt uns aus dem Schlafsack. Warm ist es auch geworden, seit vier Stunden scheint schon die Sonne. Dabei ist es doch erst kurz nach sieben. Der Rasen um unser Zelt herum muß gerade heute gestutzt werden. Aus den Wohnmobilen, die neben uns auf dem Hafenparkplatz von Trosa aufgebaut sind, schauen verschlafene Gesichter heraus. Wir packen unsere Siebensachen.
Duschen kostet nix – die Blondine im Hafenkontor lacht. Viel Schweiß hat Daddeldu gefordert: Wir haben ihn ins Hafenwasser geschubst und segelfertig gemacht, den Proviant und unsere Klamotten, das Zelt, Isomatten und Schlafsäcke verstaut, den Gaskocher und Geschirr, Schlauchsäcke mit Wein, Fernglas und Seekarte – das wiegt soviel wie ein zusätzlicher, schwerer Passagier. Mal fühlen, ob sich Daddeldu so segeln läßt.
Drei Windstärken pusten uns fort von der Stadt. Wohnmobile, Blondinen und Rasenmäher verschwinden hinter uns, eine Insel nach der anderen taucht auf. Mal mit Klippen, mal mit Schilfgürtel und dann eine kleine verborgene Sandbucht, Paradisholmen nennen die Schweden diesen Flecken. Segel runter, langsam ranpaddeln und schauen, ob da auch keine gefährlichen Steine auf Daddeldu lauern. Kristallklar ist das Wasser, kleine Fischschwärme begleiten uns wie Lotsen sicher bis zum Strand. Der Anker fällt, die Flunken graben sich in den Sand. Die Fische staunen. Wir auch, wir lachen uns an, fallen uns in die Arme und küssen uns – wir sind im Paradies!
Zwei Feuerstellen finden wir, trockenes Holz liegt überall herum: Den Strand hoch zu den Kiefern, den Birken, den Eichen, da ist lockeres Unterholz, vollgespickt mit Riesenameisen. Am Fuß der Granitfelsen, dort wo das Moos , Krüppelhölzer, Wolken von Mücken und die Pfade der Trolle sind, da kommen die Nacktschnecken hervor. Nirgendwo auch nur ein Stück Plastik, eine Zigarettenkippe oder ein Streifen Klopapier.
Am Strand weht ein seichter Seewind, meine Fee zaubert Pasta und Vino zum Sonnenuntergang, wir graben unsere Kinderlieder aus und singen bis die Möwen meckern.
Morgens halb vier scheint die Sonne, draußen ist Lärm. Raus aus dem Zelt, da sind zwei Lachmöwen, die kreischen wie verrückt. Weil da ein echter Seeadler fliegt. Draußen, vom Meer kommt er her und zieht über unsere Insel – immer wieder umkreisen die schreienden Möwen ihn. Möwen werden uns auf dieser Seereise begleiten und uns sogar wichtige Hinweise geben. Doch erst einmal schlafen wir aus, einen ganzen Tag lang im Paradies, es regnet nämlich.
Keine Menschenseele ist weit und breit zu entdecken. Auch wir kommen aus unserer Bucht mit ihrer kleinen sandigen Landzunge nicht raus: Da liegt ein 41 Meter hoher Granitstein mit seiner ganzen Familie und versperrt uns den Zutritt zum anderen Teil der Insel. In den Spalten und Kuhlen dieser gigantischen Steine wachsen sumpfige Minimoore, an den kahlen, warmen Felsrücken wuchert dieses Moos, mit dem ich als Kind die Berge der Modelleisenbahn drapiert habe. Trolle sind hier im Sommer kaum unterwegs, nur ein paar Trampelpfade finden wir und die enden im undurchdringlichen Unterholz.
Zwei Tage Paradies reichen, dann wollen wir raus zur Lotsenstation Landsort, die letzte Insel vor der offenen Ostsee. Auch Daddeldu ist offen, eine Jolle eben. Die Bordwand ist 30 Zentimeter hoch, eine kleine Ostseewelle auch. Wir haben Glück: Der Wetterbericht könnte nicht besser sein, leichter Wind, viel Sonne – Swedish Summer pur. Also Anker raus, Segel hoch, rum um die Bucht und schon sausen wir dahin, hüpfen über die eiskalte Ostsee, vorbei an unzähligen Möwensteinen, kleinen umspülten Granitfelsenchen mit weißem Rücken, jagen den Yachten hinterher. Meine Fee hängt in den Gurten und reitet aus, triefend vor Salzwasser und mit diesem Augenleuchten hinter der Sonnenbrille. Wir jauchzen im Temporausch und schwupps, schon ist Öja da. Oh ja, Öja, die Insel mit der legendären Lotsenstation Landsort. 70 Jahre lang waren Fremde hier nicht erwünscht.
Wundersam versteckt, der Hafen. Hinter einer Klippe, von zwei, nein, drei Inseln verdeckt, da weht die Schwedenflagge am langen weißen Mast. Drei Flaggen wehen, dann eine riesige Kaianlage, jedenfalls für unseren kleinen Daddeldu. Container stehen neben einer Rampe, Autoreifen hängen herab, ein Haufen Schrott liegt herum. Schau! Ein Steg mit sieben Yachten.
Ob wir…? Alle werden uns das fragen, ausnahmslos. Ob wir mit dem Boot von Deutschland herüber gesegelt sind? Ja, wir sind aus Leipzig und wir sind im Urlaub. Nicht auf der Flucht. Unsere Nachbarn, ein Rentnerpaar aus dem Ruhrpott, ist vor zwei Monaten aus Deutschland losgesegelt, zwei Heizungsanlagen haben sie an Bord, Diesel, Strom und Wasser. Aber keine Waschmaschine und keinen Trockner. Unser Glück. Der Abfluß für ihr Spülwasser liegt eine Elle über unserem Deck und plätschert uns fast ins Gesicht. Wie bei den berühmten Ferien auf Santkrokan, da hat es auch immer getropft. Nein, Öja, das ist eher wie auf Bullerbü: Den Hafen hoch, da oben auf der Dorfstraße knattert ein strohblonder Bengel mit seinem Motordreirad entlang, dahinter brummen die Hummeln im Blütenmeer und warmer Landwind umfängt uns. Am Lotsendenkmal, einer lebensgroßen Bronzestatue am Wegesrand, von dort schauen schon seit 500 Jahren jeden Tag die Seemänner übers Meer, da steht eine Bank. Wir haben unser Fernglas dabei und beginnen zu zählen, fast zwanzig Inseln. Schaumkronen wachsen vom Meer her, Brandung türmt sich an den blanken, runden Steinen auf, Möwen kreisen und kreischen unter den langgezogenen Wolkenhaufen, die sich auftürmen wie ein Amboß, die Sonne verdunkeln und Wind schicken. Viel Wind.
Wir schlafen auf Daddeldu, das erste Mal. Ich bin einen Piraten gewohnt, der ist noch kleiner als der Zugvogel und ich bin einsneunzig. Nur – das war mit meinem Sohn, diesmal ist meine Fee dabei. Platz haben wir bis zum Abwinken, das gesamte Cockpit ist ein Riesenbett, mit einer knallroten, samtigen Decke drauf, eingefaßt in schillerndes Mahagoni, auf dem Schwertkasten zwei Becher Wein. Wie ein Zelt ist die nagelneue Persenning, garantiert wasserdicht, über den ganzen Daddeldu gespannt, nur nicht am Heck. Da schauen unsere Köpfe raus, hoch in den Himmel und wir sind erstaunt über den prächtigen Farbwechsel eines Mitsommerabends. Wahrhaftig ein Naturschauspiel. Um 22 Uhr geht die Sonne unter, um drei Uhr steigt sie wieder herauf und der Regen kommt. Literweise schüttet es. Zehn Stunden lang. Tropfen tropfen ganz langsam den Baum entlang, sammeln sich in den Falten des Großsegels und stürzen hinab, wenn wieder eine kräftige Bö durch den Hafen pfeift. Mit dem Handtuch mal rumwischen reicht nicht, also die Isomatte ein bißchen zur Seite drücken, und – Mist – jetzt hat der Schlafsack meiner Fee einen Sturzbach abbekommen. Und Frühstückszeit ist auch schon lange, ich hol mal was und das geht so: Geschmeidiges Herausdrehen aus dem Schlafsack und geschmeidiges hineinschlüpfen in den Overall, Südwester auf, Schuhe an, ganz vorsichtig die Persenning aufknöpfen und fix rauskriechen in den nassen Sturm. Weit und breit kein Leben zu entdecken, hoffentlich ist überhaupt jemand im Hafenkontor.
Margerit ist da, sie macht uns einen Pott Kaffee und frische Waffeln, ja, gerne mit einem Klecks Eis und einem Klecks hausgemachter Blaubeermarmelade. Margerit hat auch eine Hütte für uns, die wird gleich frei, wenn die Taucher wegfahren. Bis dahin können wir in die Sauna, mir Panoramablick auf die stürmische Ostsee.
Die typischen kleinen Schwedenteppiche die in unserer Hütte auf dem Holzboden liegen, die hat Margerit selbst geknüpft. Die Vierzigerin wohnt in einem kleinen Holzhaus am Hafen, dort steht auch ihr Webstuhl und den verregneten Abend verbringt sie davor. Auf Öja ist sie geboren, nach Stockholm ist sie hin, zum arbeiten, zum Geld verdienen. Jetzt will sie es mit dem Hafen versuchen, mit den fünf Hütten, mit ihren Teppichen, den frischen Waffeln und der selbstgemachten Marmelade. Hier will sie wieder sein, sie muß es sich verdienen. Margerit seufzt, das Funkgerät piept, die Tür knarrt. Morgen habt ihr gutes Wetter, sagt Margerit.
Flaute. Das Paddel muß raus, ja nur eins, einer muß ja steuern. Einer bin ich, meine Fee paddelt uns genüßlich an niedlichen Inselchen vorbei. Von hinten, aus Richtung Öja, kommt die „Pütz“, ein Seekreuzer aus Hamburg mit einem Hamburger Seebären an Bord, 80 ist er, ob er uns ein Stück mitnehmen soll, fragt er. Nein Danke, wir haben Zeit und Muse und das paddeln macht uns Spaß. Wir fahren ganz nah an die Küsten heran, atmen den Duft der Kiefern, unter uns tummeln sich wieder kleine Fischschwärme, die Schutz vor den Möwen suchen, sich aber verlieren, sobald die erste Brise Daddeldu in Fahrt bringt, dann an der „Pütz“ vorbeizieht. Bald kommen Böen, eine dunkelschwarze Gewitterwand rollt heran, es blitzt überm Festland. Der nächste Schutzhafen liegt auf Nattarö, eine Kette von Inselchen liegt davor, besser Abstand halten, das Gewitter ist gleich da. Der Wind bleibt kräftig aber nicht stürmisch, die Sicht wird miserabel, runter mit der Sonnenbrille. Vor uns sitzen Möwen. Auf einem Stein. Vor uns. Kollisionskurs! Und Daddeldu rauscht mit High Speed durchs Wasser. Ganz fix rum bevor es knirscht, wenden und weitergucken, sind irgendwo noch Möwen zu sehen oder kleine, gemeine Felsen? Unser Pulsschlag dröhnt in den Ohren.
Nach fünf Minuten ist der Spuck vorbei. Jetzt segeln wir ins Takka-Tukka-Land. Kinder. Alles voll mit Kindern. Am Lagerfeuer sitzt ein Chor, barfuß, mit Gitarre.: „Här kommer Pippi Långstrump, tjolahopp, tjolahej, tjolahoppsan sa. Här kommer Pippi Långstrump, ja här kommer faktiskt jag.“
Auf der Lichtung steht eine kunterbunte Villa, mit Terrassen und Balkonen, mit einer Küche und einem Esssaal. Auch die Kinder sind kunterbunt, blond oder rot, mal asiatisch, mal afrikanisch, mal dick, mal groß, mal clever, mal doof, aber immer fröhlich. Kein Wunder, zehn Wochen Sommerferien liegen vor ihnen.
Sie sind überall, klettern auf Bäume, schaukeln an dicken Seilen, sausen die Rutschen hinunter, planschen auf der Sandbank, tauchen um die Boote herum, pfeiffen mit einem Grashalm und zum Mitsommerfest tanzen sie, Hand in Hand, um den geschmückten Birkenkranz, Ringelpiez mit Anfassen im Original. Hunderte sind es, die wir auf den Inseln treffen. Egal wo. Die älteren Schüler sitzen beim Kaufmann an der Kasse und erklären uns in bestem Oxford-Englisch, daß Münzen nicht per Hand angenommen werden, sondern in den Automatenschlitz hinein gehören. Oder sie backen Brot, mal mit Zimt, mal mit Anis, aber immer mit knuspriger Kruste. Schüler sind jetzt Hafenmeister und Fährfrau, Bahnauskunft und Fahrradverleiher, Eisverkäufer und Putzkolonne. Die erwachsenen Schweden picknicken von früh bis spät. Wir vermuten, weil es auf den Inseln kaum Rasen zu mähen gibt. Manche Erwachsene dürfen auch mal bei den Kindern mitspielen, dürfen das Schlauchboot aufpumpen oder mal als Tragesel über die Pfade galoppieren, immer ein Liedchen auf den Lippen. Alle lieben Barbecues am Abend und Ausschlafen am Morgen. Sogar die Kinder.
Utö, Dalarö, Nämdö, immer nur Ö, wir wollen Sand haben. Sandhamn! Hier fahren alle hin – der Seeweg nach Stockholm führt mitten durch den kleinen Inselort mit seinem fjordartigen Sund. Tausende von Tagesbesuchern bummeln über den Boulevard, auf den Freisitzen essen sie Räucherfisch mit Salat, ausnahmslos. Sandhamn ist chic, Sandhamn ist hip, Sandhamn ist atemberaubend!
Da parken Wasserflugzeuge neben Megayachten, da spielt zum Fahnenappell – morgens um acht und abends um neun – ein Trompeter auf, und mittags um halb zwei fährt ein Großsegler unter Vollzeug dem Bäcker fast durch den Garten. In einer Woche kommt König Carl Gustav mit seinen Freunden aus Stockholm hierher. Hemdsärmige Hünen bauen schon mal Tribünen auf – für die Zieleinfahrt der königlichen Regatta. Bis abends um sechs ist Trubel, dann wird es romantisch, besonders am Strand, der Kostbarkeit von Sandhamn.
Richtung Stockholm, es ist ein scheußlicher Weg für uns. Motorboote machen Streß, stundenlang. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung wie beim Auto, die gibt es in Schweden nicht. Da donnern behelmte Typen auf Jetskis mit 80 Sachen und brüllendem Motor neben uns vorbei, dicke Dampfer tauchen im Zehn-Minuten-Takt um uns herum auf, mit strahlendem Lächeln winken uns Familienverbände aus den Wohnzimmern ihrer Fahrtenyachten zu. Wenn ihre Wellen kommen, scheppert und knallt es bei uns und der nächste kommt vorbeigeschossen. Erst als die See offener wird und der Wind wieder unsere Segel bauscht, genießen wir es wieder, auf dem Wasser zu sein. Wir wollen zurück ins Takka-Tukka-Land. Vorbei an der großen und der kleinen Husareninsel, weg von der Hauptstraße, schlängeln wir uns zwischen den Inseln hindurch, sammeln die Brisen ein, die uns bis zum Mittagessen treu bleiben, sich dann aber in Luft auflösen. Wenn der Wind einschläft wird der Weg immer länger und wir dürfen nicht an Land: Die schwedische Marine hat ganze Landstriche zur Sperrzone erklärt und da müssen wir erst einmal vorbei paddeln, dann kommt Lacka. Ein Kleinod am Rande des Sperrgebiets.
Der Hafen liegt versteckt. Zwei Parkverbotsschilder ragen vor der Einfahrt aus dem Wasser, sie sind auf zwei Felsen betoniert, drumherum haufenweise Wracks, keine Möwen. Am Bootssteg sitzen Mädchen und angeln, genau so erfolglos wie die Jungen, die grüppchenweise auf der Mole kauern und dort ihr Glück versuchen. Lacka ist quasi privat, die Insel gehört einem Segelclub, einem gastfreundlichen, wir sind sehr willkommen. Ob wir…? Die Kinder stürzen sich auf uns, werfen ein paar englische Brocken dahin, dann werden es lange Sätze. Yes, Daddeldu is a migrant bird, ein Flugvogel, ja ein Zugvogel. Flyttfågel? Wie bitte, Flyttfågel? Bastu, das ist die Sauna, ein dunkelrotes Haus draußen auf dem Felsen, Brennholz liegt davor, fein aufgereiht von den Clubmitgliedern. Die haben auch ein großes Clubhaus mit Kamin und Tanzboden gebaut, ganz oben auf der Insel steht das – mit Rundblick über den Archipel. Eine Überraschung ist das Trinkwasser von Lacka, das beste, was wir in den Schären bekommen haben: Es ist herrlich kühl und frisch, pumpen muß man selbst, so wie früher.
Am Abend sind die Trolle unterwegs. Damit die nicht gesehen werden, haben sie die Inseln in dicken Nebel getaucht und damit überraschen sie so manchen Seefahrer. Nicht einmal die Parkverbotsschilder vor der Hafeneinfahrt sind noch sichtbar. Irgendwo zu hören sind ein paar Boote und Schiffe, die verloren zwischen den Inseln tuten. Erst um Mitternacht zieht der geheimnisvolle Nebel wieder ab. Die Leute von Lacka kennen das. Und noch ein anderes Geheimnis. 800 Jahre ist das alt. Es ist ein Seeweg, der durch Schluchten führt, ein Labyrinth verschlungener Wasserpfade. Harald verrät uns davon. Harald mag die Deutschen, mit Ihnen hat er sein Leben lang Geschäfte gemacht und so sein Geld verdient, viel Geld – genug für ein richtiges gutes Leben im Schärengarten, dem Vorhof zum Paradies, Harald freut sich.
Durch den Geheimweg sparen wir zwei Tage und wir können noch Stockholm besuchen. Wir segeln rüber zu Haralds Club in Nynäshamn, von dort sind wir in einer Zugstunde an der Centralstation der schwedischen Metropole. Jeder trägt hier einen Rucksack auf dem Rücken – außer die Verkäufer und Kellner. Vor den Schließfächern campieren junge Leute, wechseln von Gummistiefel auf Joggingschuhe, schmieren sich ein Brot, andere spielen Gitarre. Es riecht nach U-Bahn Schacht und heißem Fett, am Bahnhofsausgang nach Inkontinenz. Mit Japanern, Spaniern und einer indischen Familie marschieren wir ins alte Herz der Stadt ein, die Gamla stan. König und Königin sind nicht in ihrem Schloß. Wer hingeht wird trotzdem belohnt. Die Komödianten-Combo führt den 12 Uhr 47 Wachwechsel auf, leicht jazzig, ein bißchen schräg eben. Befehle bekommen eine avantgardistische Note – sie werden stets asynchron gerufen, von einer illustren Truppe. Natürlich tragen alle Uniform – jede erdenkliche Kleidergröße ist vertreten. Und auf dem Kopf haben sie glänzend polierte Pickelhauben. Mit Bommel. Sie exerzieren vor der Besucherkasse, dann schwärmen sie aus, einmal rund ums Schloß, am Busparkplatz vorbei zum nächsten Wachhäuschen, wechseln, weiter marschieren, quer durch die Besuchergruppen , die Japaner, Spanier und die indischen Familien. Es ist Sonntag, die großen Tempel für den Kaufrausch sind offen, Menschenmassen wälzen sich durch Einkaufsstraßen, auf den Plätzen ist Markt – Gemüse oder Trödel – mal Jugendstil, mal Kitsch. Mit der Straßenbahn und dem Bus gondeln wir durch die Stadtviertel dieses riesigen Stockholms, das macht jetzt richtig Spaß. Die anderen fahren zur Sonntagsarbeit oder zum Feierabend. Müde Gesichter der Vororte sitzen um uns herum. Teilnahmslos, nicht mürrisch.
Mit Trollen ist nicht zu rechnen, meinte Harald beim Abschied. Wir sollen gleich hinter Nynäshamn abbiegen, eine schmale Rinne führt in die Karlsvik, eine noch kleinere wieder hinaus. Nur 1 Meter 50 tief, da kann ich durchwaten und Daddeldu kann sich nicht verkeilen, sechs Meter ist die Schlucht breit. Waldemar der Sieger, König von Dänemark, hat die Passage entdeckt, vor 810 Jahren. Der Dragetskanal, eine Art Felsspalte von 250 Metern Länge. Mit seiner gesamten Flotte ist Waldemar hier durch, hat sich vorbeigeschlängelt an den seichten Schilfbuchten und den hügeligen Inselchen und ist dann rüber und hat Estland, Ostdänemark erobert. Eine moderne Segelyacht für vier Personen paßt hier nicht mehr durch.
Wir daddeln nach Trosa, laden unser Gepäck um und Daddeldu auf den Bootsanhänger und fahren heim. Urplötzlich sitzen wir auf weichen Polstern, angeschnallt, die Füße nur 30 Zentimeter über dem Asphalt und um uns herum nur Land. In der Ferne, links, da zwinkert hin und wieder noch mal ein Inselchen von der Ostsee herüber, Nummer 25.000! Vielleicht… Wälder, Felder, Kolonien von Störchen, ziehen vorbei aber nicht ein einziger Elch steht herum.
Unser Urlaub ist zu Ende merken wir, denn wir haben unseren ersten Termin. Tom Sawyer wartet nicht in Trelleborg auf uns, wir müssen pünktlich sein, dürfen nicht so bummeln, müssen uns beeilen um die Fähre nicht zu verpassen. Wir haben ein Billigticket, das gilt nur für diese eine Überfahrt und – die schaffen wir. Na klar! Im Tickethäuschen sitzt eine entfernte Verwandte von Margerit, unsere Hafenmeisterin aus Landsort. Die beiden kennen sich nicht, könnten aber Schwestern sein.
Ob wir … eine schöne Zeit in Schweden gehabt haben, fragt sie. Märchenhaft! antworten wir unisono und dann verabschiedet sich dieses Land mit einem himmlisch-kitschigen Sonnenuntergang von uns.
Ob wir … wiederkommen?
Ein toller Reisebericht. Man sehnt sich direkt noch etwas mehr nach Sommer und Segelwetter.
In 132 Tagen ist Frühlingsanfang!
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Die Glüxpiraten freuen sich auf Euch!