Die Zeitumstellung lässt uns nicht schlafen und so will ich vom kalten karibischen Winter berichten.
Als Olaf Schädlich von „Club Nautique“ das Angebot unterbreitete, uns an der Reise in die nördliche Karibik zu beteiligen, waren wir sofort begeistert. Zumal wir ca. anderthalb Jahre vorher 14 Tage auf Cuba verbrachten und uns Landschaft und Menschen nachhaltig beeindruckt haben. So haben wir also in diesem Winterurlaub Snowboard und Ski gegen FlipFlop und Flossen getauscht.
So enterten wir unser Urlaubsdomizil, einen Katamaran „Leopard 40″ am 06.02.10 in Marsh Harbour, einem kleinen Städtchen in den Abacos, im Norden der Bahamas. Mit Heike, Paula, und Anke hatten Ute, Nina und ich abenteuerlustige Mitseglerinnen gefunden und der Katamaran wurde vorübergehend in „Chickenrun“ umbenannt. Die Bahamas erstrecken sich mit über 700 Inseln, wovon ca. 35 bewohnt sind, östlich von Florida bis weit vor die Ostküste Cubas. Ein riesiges Segelrevier, was in zwei Wochen nicht annähernd zu erkunden ist.
Da das Wetter recht windig war, nutzten wir den Samstag um anzukommen und uns vom Jet-lag zu erholen. Auch die Crews der drei weiteren Katamarane blieben im Hafen und fielen noch vor Mitternacht ins Bett.
Am folgenden Tage segelten wir gemeinsam ins nahe gelegene Hope Town und machten in einer rundum geschützten und malerischen Bucht an einer Moorringboje fest.
Ich will zugeben, dass die ersten Tage recht aufregend für mich waren, denn ich habe vorher nie auf einem Katamaran gestanden und die Manövriereigenschaften unterscheiden sich doch erheblich von Einrumpfbooten. Doch nach kurzer Zeit habe ich mich darauf eingestellt und auch die Vorteile der zwei Maschinen zu schätzen gelernt. Hope Town erinnert an ein britisches Seebad; sehr idyllisch, freundlich und von pastellenen Farben geprägt. Der 1864 erbaute rot/weiß geringelte Leuchtturm ist weithin zu sehen und wird heute noch mit Petroleum betrieben. Seine Leuchtkraft soll der von 325000 Kerzen entsprechen. Von seiner Plattform hat man eine herrliche Aussicht auf die Inselkette der Abacos. Der traumhafte Sandstrand auf der Atlantikseite lud am nächsten Vormittag zum Baden, Sonnen und Beach Volleyball spielen ein. Nachmittags ging’s unter Motor weiter zum 11 sm entfernte Great Guana Cay. Auch hier entdeckten wir auf der Ostseite der Insel herrliche, menschenleere Sandstrände, auf die die Atlantikwellen lauthals donnerten. Abends loderte der Bordgrill an der Reling und mit 18 Leuten fanden sich mehr als die halbe Meute auf Martins Boot zum „Nachtisch“ ein, und um den einen oder anderen Rum auf die Gesundheit zu genießen.
Nach zunehmend unruhiger Nacht, einem morgendlichen Spaziergang über die Privatstrände der Insel, kehren die „Chicken“ aufs Boot zurück und wir lichten den Anker. Im übrigen ist es nicht so, dass man sofort von den privaten Stränden vertrieben wird. Mit einem freundlichen „enjoy your stay“ wird man eingeladen den Aufenthalt zu genießen. Bei 27 Knoten Wind geht’s im zweiten Reff nach Man o War. Wir machen im schmalen Sound an einer Moorringtonne fest. Diesmal müssen wir keinen Bootshaken opfern und das Manöver klappt perfekt. Matthias Crew bekommt trockenes Müsli zum Abendbrot angedroht nachdem zwei abgerissenen Moorringbojen wieder angeknüppert werden müssen. Alle sind bester Laune.
Am 10.02.10 wollen wir die erste Etappe in Richtung Nassau absolvieren. Nachdem das „Mauerblümchen“ die „Ladyboys“ vom Sand gezogen hatte und „PornoPuma“ beim Wassernehmen Bekanntschaft mit einer österreichischen Crew machen musste, ging es „navigatorisch anspruchsvoll“ durch die südlichen Abacos nach Cherokee Cay. Dort mussten wir feststellen, dass ein sicherer Ankerplatz nicht zu haben war, Legerwall war vorprogrammiert. Wir wollten hier eigentlich ankern und am nächsten Morgen gegen vier aufbrechen. Nach kurzer Funkkonferenz und Beratung mit den Crews, entschieden wir nach Nassau durchzusegeln. Ohne mentale Vorbereitung ging es in meine erste wirkliche Nachtfahrt. Schnell brach um 18 Uhr die karibische Nacht herein. Es war so dunkel, dass man die Wasseroberfläche neben dem Boot nicht sehen konnte. Himmel und Wasser waren eins. Spannend, aber für manchen Magen schwer zu verarbeiten. Anfänglich ging es noch bei 10 – 15 Knoten Halbwind gut voran, später frischte der Wind auf über 25 Knoten auf und wir nahmen das Groß weg und liessen uns nur mit der Genua durch die nun zwei Meter hohen Wellen ziehen. Die „Chicken“ lagen alle recht matt auf den Bänken. Um Mitternacht holte ich nach 12 Stunden Ruder gehen Anke aus ihrer Lethargie. Sie absolvierte tapfer die nächsten 2 Stunden.
Allen Inseln sind kleinere und größere Riffe vorgelagert. Um in eine geschützte Bucht zu gelangen, muß man erstmal diese Hürde meistern. So auch vor New Providence. In stockfinsterer Nacht ist dies ein schwieriges Unterfangen. Deshalb warteten die „Mauerblümchen“ vor der Einfahrt nach Salt Cay auf uns und nach wenigen Minuten waren wir alle sicher durch die Rinne. Endlich konnnte der Anker fallen. Nach 17 Stunden und 100 sm anstrengender Fahrt lagen wir in unruhiger See und mußten Ankerwache gehen. Aber wir hatten es bis Nassau geschafft, waren glücklich und staunten über die Lichter von Paradise Island. Wer hätte das je gedacht!?
Nach den Ausschlafen verholten wir uns am frühen Nachmittag in die Harbour Marina nach Nassau, wo uns Matthias schon über Funk angekündigt hatte. Wir fädelten uns in die Boxen, steckten den Landstrom an, nahmen den obligatorischen „Anleger“ und gingen gleich ins gegenüberliegende Einkaufszentrum um die Rumvorräte wieder aufzufüllen. Die „Chicken „begießen ihre gelungenen Manöver recht gern. Zum Abendbrot liessen wir uns in der „East Villa“,einem asiatischen Restaurant verwöhnen. Man geht’s uns gut!!
Hafentag! Aufstehen, Kaffee und auf zum Fischmarkt. Die Auswahl ist begrenzt, aber ganz frisch. Wir kaufen knapp 2 kg frischen Thunfisch und Red Snepper. Danach gehen wir in die Stadt, kaufen T-Shirts für Nina und Leander, trinken ein Bier im „Hard Rock Cafe“ und laufen durch die Straßen. Ich werde alle Nase lang auf meine Größe angesprochen und es entstehen daraus immer kurze und freundliche Gespräche. Die Einheimischen sind mit der entsprechenden karibischen Gelassenheit ausgestattet und es läuft alles entspannt und gelassen ab. Die Autofahrer hupen nach den Mädchen und laden sie auf ihr Boot ein. Mit dem „Wasserbus“ setzen wir nach Paradise Island über, wo die Amerikaner einen riesigen Hotelkomplex der Luxusklasse hingesetzt haben. Es ist gigantisch groß, alles künstlich, mit großem Aquarium, eigener Lagune zum Baden, Einkaufsmeile, einem Yachthafen für Megayachten, Shoppingdorf und Allem, was das Amerikanerherz höher schlagen lässt. Nichts hat natürliche Wurzeln und alles sieht nach einem Fake aus. Wir beschließen diese Hallen schnell zu verlassen und gehen über die Bogenbrücke auf die andere Insel nach Nassau zurück. Der frische Fisch schmeckt am Abend lecker und der Wind legt langsam, wie angekündigt, zu.
Die Nacht war kurz, stürmisch und feucht. Wir müssen früh raus, da die Kinder mit Delphinen schwimmen wollen. Wir fahren mit der Barkasse nach Salt Cay in ein Delphinarium, wo sie Neoprenanzüge und Westen bekommen. Nach kurzer Einweisung geht’s ins Becken und die Delphine werden gestreichelt, geküsst und schrill pfeifend tanzen die Tiere im Wasser. Der Höhepunkt ist ein Surf auf dem Bauch, angetrieben von zwei Delphinstärken. Die Augen glänzen glücklich. Natürlich kommen wir nicht davon, ohne das gedrehte Video für schlappe 58 Dollar zu erwerben. Egal „Hauptsache die Kinder sind zufrieden“. Am Nachmittag fahren wir durch die Stadt und besuchen das Piratenmuseum. Nassau wirkt kleinstädtisch und ist auch zum Teil ganz nett anzusehen, aber sehr auf die zig Tausende Touristen fixiert, die hier täglich von ihren Kreuzfahrtschiffen einfallen. Am Abend geht es Ute auch wieder besser, die die Party des Vorabends wohl doch nicht so gut vertragen hatte.
Am 14.02. brechen wir in die 45 sm entfernte Inselwelt von Eleuthera auf. Es ist sonnig und auf halber Strecke verlässt uns der Wind. So tuckern wir zu unserem Ankerplatz vor Spanish Wels. Nachdem der Anker fiel, brach eine furiose Seeschlacht los. Die „mutigen“ Kumpane vom Schiff des Admirals haben die Kinder Nina, Paula und Charly in ihrem Dingi angegriffen. Wasser gefüllte Luftballons und eingeweichtes Klopapier fliegen durch die Luft und die Dingis sausen zwischen den Booten hindurch. Die Kinder beherrschen das Boot erstaunlich gut und haben Dank geringen Gewichts einige Vorteile bei den mit 10 PS angetriebenen Booten.
Auf der Fahrt am nächsten Morgen nach Harbour Island durchfahren wir den Sound von Spanish Wels, durchqueren enge Passagen und umfahren flache Stellen und Riffe. Es muss Ausguck gegangen werden, um die Untiefen genau zu sehen. Alle sind dankbar, dass Olaf als Erster fährt. Nach drei Stunden haben wir die etwa 10 sm hinter uns und lassen den Anker vor dem Hafen von Dunmore fallen. Diesmal haben sich die Kinder auf die Wasserschlacht vorbereitet und etliche Luftballons mit Wasser gefüllt. Das Beiboot war noch nicht ganz im Wasser, da wurden schon die Boote mit eimerweise Munition beladen, Die folgende Schlacht war spektakulär und als die Luftballon alle waren, wurde mit Eimern, Töpfen und Schüsseln weiter gekämpft. Aß und erschöpft schmeckte der anschließende Friedensrum verdammt salzig. Auf der Atlantikseite von Harbour Island gibt es einen sehr schönen, leicht rosa leuchtenden Strand. Auch hier sind die Menschen sehr freundlich und entspannt. Das Polizeiauto der Insel ist ein GolfCar mit Rundumleuchte, wie vom Kinderkarussell geklaut.
Das Wetter soll schlechter werden und wir beschließen den nächsten Tag zu bleiben. Am Vormittag regnet es und wir faulenzen. Im Imbiss des Fähranlegers esse ich endlich das Nationalgericht – Conch (sprich Konk). Diese großen Muscheln werden zu tausenden verzehrt. Sie sollen auch roh als Salat sehr gut schmecken, aber ich esse sie frittiert mit scharfer Sauce. Schmeckt köstlich. Als der Wind am Nachmittag zunahm, beschließen wir uns in den Hafen zu verholen. Dabei merken wir, dass der Rückwärtsgang der Backbordmaschine nicht mehr funktioniert. Großer Mist, da mit nur einer Maschine Hafenmanöver eigentlich nicht möglich sind. Nach stundenlangem Basteln ohne passendes Werkzeug kommen wir an den gebrochenen Bowdenzug. Auch der Gaszug versagt den Dienst, aber um Mitternacht funktioniert wenigstens dieser wieder. Am nächsten Morgen bauen Olaf und ich eine zünftige Handschaltung aus einer alten Angel, Rollenpflaster und dem restlichen Bowdenzug. Ute steht ab nun bei den Manövern über der Maschine und führt die Kommandos aus. Erstaunlicher Weise funktioniert es besser als gedacht. Wie geplant machen wir uns auf den Rückweg zu den Abacos. Der Wind weht mit 18 Knoten aus WNW und wir schaffen fast unseren Sollkurs. Doch ab Mittag frischt der Wind zunehmend auf und wir sind froh im Groß das 2. Reff eingebunden zu haben. Die See wird ruppig und die Wellen zunehmend höher. Am Nachmittag gibt es ein riesen Schlag. Als ich mich umdrehe, ziehen wir das Dingi quer hinter dem Kat her. Wir haben nur noch 2 Knoten Fahrt. Ich ertappe mich bei dem Gedanken das Beiboot einfach abzuschneiden. Der Rollenbeschlag ist aus dem Davit raus gerissen und auf der Motorseite der Hahnepoot durch gescheuert. Im Dingi schwimmen etliche Liter Wasser, der Tank treibt darin und droht außenbords zu gehen. Ich schnappe mir Lifebelt und Lifeline, sichere mich und versuch Tank und Wasser zu entfernen. Der Stöpsel ist ganz schön weit weg. Nachdem das erfolgreich war, binde ich mich am Davit mit dem fehlendem Rollenbeschlag fest, ziehe eine Lifeline durch den offenen Schlitz und hake das eine Ende im Zurrauge des Dingis ein. Nun warte ich auf die perfekte Welle, welche mir das Dingi so weit hoch hebt, dass ich das andere Ende des Gurtes einhängen kann. Nach vielen Versuchen kommt die lang ersehnte Welle. Auf dem anderen Davit habe ich ähnlich lange zugebracht und das Boot mit einem Seil gesichert. Die ganze Aktion hat über eine Stunde gedauert. Ute und Nina hatten bestimmt schon die Lebensversicherungssumme verplant. Wenig später, bei Einbruch der Dunkelheit, berge ich die Segel und Anke vermeldet dabei 38 Knoten Wind. Nun bin ich endgültig nass. Der Nordwind bläst uns kalt entgegen. Mit Maschine dampfen wir gegen an, immer in der Hoffnung, dass die Wellen niedriger werden. Mit 2-3 Knoten kriechen wir vorwärts.
Eine rote „Informationsleuchte“ der Backbordmaschine sagt uns, dass was nicht in Ordnung ist. Wir fahren nur noch mit einer Maschine. Aber kurz vor der Einfahrt nach Little Harbour wird die See ruhiger und gemeinsam mit „P.Puma“ geht’s durch die Rinne zum Ankerplatz. Zum Glück springt die Backbordmaschine wieder an, denn nur damit geht die Ankerwinsch. Wir frieren, sind nass, haben Hunger und sind müde. Also: Ankerschluck, Trocknen, Stulle und Koje. Den Damen hat die Überfahrt zugesetzt und alle sind froh, sicher und ruhig zu liegen. Little Harbour ist ein kleiner idyllischer Ort mit Galerie und wird daher als Künstlerkolonie angepriesen. Der Hafen ist wunderschön und die Einfahrt ist urig. Ich repariere die Schäden des Vortages und fülle Kühlwasser auf die Maschine. Die Lampe bleibt aus.
Matthias zieht eine Languste aus einer Höhle, bringt eine Tigermuschel nach oben, alle fotografieren und wir setzen die Tiere wieder ins Wasser. Die Languste ist zu klein für den Kochtopf.
Wir ziehen die Genua raus und gemächlich segeln wir nach Snake Cay, wo wir vor Deep Sea Cay ankern wollen. Mit den „LadyBoys“ machen wir uns zum Abend ans große Reste vernichten und Essen zusammen auf unserem Kat. Es hat funktioniert, unsere Vorräte sind fast alle und wir müssen nichts wegwerfen. Es ist der kälteste Abend auf dieser Reise. Wir sitzen mit dicken Jacken und Decken an Bord und langsam denken alle an das Ende des wunderschönen Törns. Bier -und rumseelig fallen wir in unsere Kojen. Der letzte Tag verläuft betont ruhig und wir tuckern Richtung Marsh Harbour. Um nicht zu früh im Hafen zu sein treffen sich alle vier Katamarane in der Ankerbucht vor der traumhaften Privatinsel Matt Lowes Cay. Das Dingi geht noch mal zu Wasser um heimlich auf die Insel zu kommen. Matthias und ich nehmen einen Kummerschluck und schluchzen uns in die Ärmel. Um vier geht der Anker hoch und der Kat nach Marsh Harbour. Das Anlegemanöver mit „Maschinentelegraph“ funktioniert perfekt. Wir essen Lobster im Hafenrestaurant, bringen unsere letzten Vorräte auf Martins Boot zum Abschied feiern. Bis um Vier wird sich auch kräftig verabschiedet. Am nächsten Morgen ist es sonnig und warm, wie während des gesamten Urlaubes nicht.
Aber wir können wenigstens vom kältesten Winter seit Jahrzehnten in der Karibik berichten. Der Nordwind der in New York und Washington für Eis und Schnee sorgte hat uns 14 Tage lang begleitet. Ohne stundenlanges Schnorcheln, Rollen in der Brandung mit dem Campari in der Hand, dicken Schichten von Sonnenmilch auf Haut und Wasser war es dennoch so beeindruckend schön und erholsam, seglerisch und navigatorisch anspruchsvoll, dass wir uns vorstellen könnten die restlichen 650 Inseln auch noch zu erkunden.
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