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Ein Tagebuch
1.Tag
Nachdem die Landeier aus Ihrer Idylle gerissen wurden, geht’s auf die Autobahn nach Norden. Die Männer treffen sich in Kröslin, wo in diesem Jahr 4 Yachten gechartert wurden. In Greifswald wartet die Herkules auf ihren Einsatz zum Männerschnellsegeln 2011. Schnell ist alles verstaut, das erste Jever „entkronverschlusst“, die Gasflasche getauscht, vollgetankt und mit dem Bootsnachbarn ein Plausch gemacht. Das Fischbrötchen in Wieck ruft und wir machen uns auf den Weg zur Brücke, wo wir nochmals eine halbe Stunde anlegen um die Wiecker Fischspezialität zu verkosten. Die Brückenteile werden pünktlich um 15 Uhr per Hand nach oben gezogen und wir können passieren. Das Männersegeln beginnt. Der Wind kommt aus NO, wir wollen nach Ruden, also den Jockel angeworfen und 3 Stunden gegen an gemotort. Pünktlich um 18 Uhr treffen wir im Rudener Hafenbecken ein, der „Hafenmeister“ nimmt keine Leinen ab, aber treibt seine „6echs Euronen“ Nostalgiegebühr für den Anleger ein, bevor der Dampfer fest ist. Dienstleistungswüste Mac-Pomm! Martin muss nach dem Auslaufen wieder in den Hafen zurück, da eine Dichtung im Kühlsystem fehlt. Aber als die Grills dann endlich glühen trifft auch er mit seiner Crew ein. Alle sind etwas matt und wir wollen früh raus um die 70 Meilen nach Bornholm zu segeln. Die Wetterberichte sind sehr unterschiedlich und alle sind unsicher wie stark der Wind nun wehen wird. Sicher scheint, dass es uns für 1-2 Tage auf Bornholm einwehen wird. Es gibt Schlimmeres als in Bornholm die Zeit tot zu schlagen. Ich freue mich auf die Insel!!! Das Wetter war heute phantastisch und ich habe heute früh noch schnell die Kamera eingepackt. Doch wie ich feststellen musste, fehlen sämtliche Kabel und Lademöglichkeiten um die maroden Akkus wieder zum Leben zu erwecken. So wird bei diesem Männerschnellsegeln kein vernünftiges Foto von der Crew der Herkules beigesteuert werden können. Ein Start mit Schwierigkeiten deutet sich an, als die Schiffe von Utz und Martin um 23 Uhr beschließen wieder zurück nach Kröslin zu fahren um ein Crewmitglied mit schlimmsten Koliken nach Greifswald in die Klinik zu bringen.
2.Tag
Das „Handtelefon“ weckt mich um 0420 Uhr. Ich will’s gar nicht glauben. Dennoch schaffen wir es 40 Minuten später den Hafen zu verlassen nicht ohne vorher mir Utz und Martin telefoniert zu haben um die neuesten Nachrichten über den Klinikbesuch unseres Patienten zu erfahren. Der Straßenzustand hat bewirkt, dass der Nierenstein das Weite gesucht hat und der Patient weitgehend genesen in der Klinik erschien. Schneewittchen ist kein Märchen! Beim Auslaufen fuhren die beiden Boote auch schon vor uns durchs Fahrwasser der wunderbar aufgehenden Sonne entgegen. Leider packt den Jollensegler immer wieder der Ehrgeiz auch in engen Fahrwassern kreuzen zu müssen. Sieht schick aus, ist aber nicht immer klug! Jedenfalls erreicht uns um 6 Uhr der Funkspruch, dass Martin festsitzt. Wir sind am nächsten dran und fahren zurück. Die Form der Sandbank und die Windrichtung erschweren die Bergung enorm. Wir versuchen einen Fender treiben zu lassen, aber wir kommen nicht in den Wind und ich habe keine schwimmfähigen Leinen an Bord. Der Tampen verheddert sich in unserem Ruder und auch wir treiben auf die Untiefe und sitzen auf, kommen aber aus eigener Kraft wieder frei. Raik hat einen Trockenanzug mit und schwimmt zu uns um eine lange Leine überzunehmen. Ein Knoten löst sich und sein lebensbedrohlicher Einsatz war umsonst. Wir ankern so dicht wie möglich und Martin schickt seinen zweiten Schwimmer zu uns und bringt eine Leine endlich über. Wir zerren, schaukeln und drehen die „Follow me“, aber erst mit gesetzter Genua und viel Backbordgewicht kommt das Schiff endlich nach über anderthalb Stunden frei. Unser „Abenteuerteam“ lässt keine Langeweile zu. Der Wind frischt auf und wir ziehen mit teilweise über 7 Knoten und fast halben Wind nach Bornholm. Die Sonne scheint und wir begrüßen den Tag mit einem Jever. Danach wird ein Schnittchen geschmiert und wir fühlen uns als Seenotretter. Auch wenn wir gut vorankommen, so sind knapp 70 sm auch anstrengend und wir sind froh endlich um 19 Uhr in Nexö angekommen zu sein. Der Himmel zieht sich zu, der Wind dreht auf West und die angekündigten Gewitter ziehen über den Hafen. Der Regen prasselt auf das Boot und wir genießen die Erschöpfung und Nicos hervorragende Nudeln. Der Wetterbericht für Morgen verspricht viel Wind. Bornholm ist sooo schön, da kann auch mal ein Hafentag eingelegt werden.
3.Tag
Heute Ausschlafen! Wir treffen uns um 10 Uhr und beschließen eine kleine Regatta nach Guthjem zu veranstalten. Volkssportlich treffen wir uns auf See, starten um 12 Uhr per “Pathfinder“ und donnern gen Guthjem. Der Wind weht mit 5-6 Bft. und ab und an drückt uns eine Bö von 7 in den Wind. Die Sonne strahlt und vor der Küste rennen die Dampfer mit etwa 7 Ktn. nach Norden. Auch wenn uns die Flotte nach gelungenem Start schnell überholt, so haben wir riesigen Spaß und genießen den Tag. Alexander hatte uns schon im Hafen avisiert, aber wider Erwarten ist der Hafen leer und es ist kein Problem einen Liegeplatz zu bekommen. Gudhjem ist für mich der schönste Hafen auf Bornholm! Eingebettet in malerische Felsen reihen sich die kleinen Häuser aneinander, die Bäume blühen in den mediterran anmutenden Innenhöfen und sogar die Feigen gedeihen prächtig bei diesem Ostseeklima. Gepflegte Oldtimer erinnern an vergangene Zeiten und die Sonne spiegelt sich im unruhigen aber klaren Ostseewasser. Die Geschäfte passen ihre Öffnungszeiten den Erfordernissen an, d.h. sie sind geschlossen – zu wenig interessiere Käufer. Wunderbar verschlafen. Auffällig viele kleine Häuser sollen verkauft werden. Kein schlechter Alterssitz! Bornholm ist wunderbar! Morgen werden wir vermutlich im Hafen bleiben müssen, da 8-9 Windstärken angesagt sind. Auf Bornholm eingeweht zu sein kann wunderbar sein. Nico kocht Kartoffelsuppe. Das Fehlen einer Muskatreibe wir kritisiert!
4. Tag
Ganz so schlimm sollte es nicht kommen. Wir warten noch die vormittägigen Regenschauer ab und beschließen uns um 13:30 per „Schnellsegeln“ nach Allinge zu verholen. Es weht aus NO mit 5-6 Bft.. Im 2.Reff mit Fock hangeln wir uns von Sonnenschuss zu Sonnenschuss. Wir halten mit unserer alten Lady wacker mit, aber schaffen dennoch nicht den 4. Platz. Macht nix – der Spaß war riesig. Die Böen werden heftiger und das dritte Reff wird angeordnet. Trotzdem ist Herkules nur schwer zu halten und wir bemühen den Windmesser – 38 ktn. in Böen am Wind. Das ist dem Mädel dann doch zu viel und wir gönnen der Fock Erholung, werfen den Jockel an und segeln unter Groß mit Motorunterstützung nach Allinge. Kurz vor Einfahrt in den Hafen der irritierende Funkspruch, dass das nicht Allinge sei. Nach kurzer Unterbrechung beschließen wir den Ort dennoch Allinge zu nennen und die Einheimischen widersprechen uns nicht. Navigation ist keine Zauberei! Allinge ist niedlich und der Hafenmeister begrüßt uns herzlich und meint, dass wir anlegen können wo wir wollen. Englisch funktioniert auch bei der älteren Generation. Ich gehe die steinige Küste nach Norden zur Rökery. Die Felsen liegen malerisch im Wasser und die Sonne glitzert in den kleinen Wellen. Der Granit mutet wie gigantische Elefantenhaut an, ist zerklüftet, gefaltet und geschrundet. Nico kocht wieder hervorragend und verdient eine riesige Anerkennung als Smutje. Es schmeckt klasse und ich habe keine Veranlassung mich da einzumischen. Ich genieße das sehr, da ich diesmal nicht Skipper, Kassenwart und Smutje sein muss. Die ersten beiden Funktionen genügen. Abends wird es erstaunlich kühl, doch es ist noch Tee vom Morgen da und mit etwas Rum abgeschmeckt macht das warm ums Herz. Nicht nur wir genießen den Rum. Mit einer gewissen „Männerschnellsegelaberteuerseeligkeit“ ist das Ziel des Törns im nächsten Jahr beschlossen und es soll nach Kroatien gehen. Eigentlich widerstrebt mir meine Zustimmung, da ich den Vorschlag „Finnische Scheren“ in die Runde werfen wollte, aber mit der Demokratie ist das eben so eine Sache ….Egal wo! Hauptsache Segeln!
5.Tag
Es weht aus West mit 7 Bft.!! Der „Rat der Götter“ beschließt erst am Nachmittag den Hafen zu verlassen, nicht nach Rönne zu fahren, sondern wieder Nexö anzusteuern, um dann morgen bei nachlassendem Wind nach Rügen überzusetzen. Der Vormittag wird genutzt um die wenigen Kilometer nach „Hammerhus“ zu wandern. Die Anlage versetzt mich immer in die Berge Schottland, die ich noch nie gesehen habe. Wir schauen auf der Westseite Bornholms auf die unruhige Ostsee hinaus. Es sind Unmengen dänischer Schulklassen unterwegs um ihr Geschichtswissen zu „pimpen“. Ich bin froh, dass uns der Wind auf die Waldwege verschlägt. Auch wenn ich verstehen kann, dass die Anderen gerne segeln wollen, so bin ich doch in der komfortablen Situation öfter Segeln zu gehen und somit auch die Sehenswürdigkeiten genießen zu können. Um 15 Uhr geht’s dann los und der Wind pustet weiter aus West mit 5-8 Bft. Herkules läuft 8,5 Ktn., vibriert und ist bei komplett offenem Traveller und gefierter Schot nicht mehr zu bändigen. Mit dem Preis für ein neues Groß im Kopf beschließe ich das Großsegel wegzunehmen. Trotzdem läuft die Lady noch 7 Knoten. In dreieinhalb Stunden sind wir in Nexö und drücken uns in eine freie Lücke. Es ist friedlich im Hafen und Nico macht Auflauf. Ich genieße es zunehmend nicht kochen zu müssen, auch wenn ich manchmal Lust dazu hätte. Ich habe Spaß und ich freue auf morgen.
6.Tag
Gut eine Stunde nachdem unsere polnischen Nachbarn ihre „Schiffsrumpfgrölereien“ eingestellt haben, weckt uns der Ruf des Ostseemeeres zur Überfahrt nach Rügen. Die See liegt spiegelglatt und die Sonne glüht im Osten. Tee kochen und los! Der Motor läuft und ich lege mich wieder hin. Früher als gedacht werde ich geweckt, da der Wind aufgestanden ist und wir ziehen Groß und Genua. Es läuft Bestens, vor dem Landtief frischt der Wind auf und schiebt uns mit bis zu 7,5 Knoten durch das Fahrwasser in den Bodden. Die anderen Boote sind schneller als mein altes Mädel, aber bei 13 Std. Fahrt macht das etwa eine Stunde aus. Also ist der Weg das Ziel! Von See aus rufen wir im „Taun Hövt“ an und bestellen Plätze für 19 Personen. Die 30 Minuten Wanderung durch eines der schönsten Naturschutzgebiete ist nicht bei jedem willkommen, zumal der „Duscheffekt“ damit nicht nachhaltig gesichert ist. Wie immer schmeckt es gut und keiner meckert. Das „Männerschnellsegeln 2011“ geht zu Ende. Es war wie immer sehr schön, entspannend und lustig. Dennoch vermisse ich die Anfänge des damals nur lapidar genannten „Männersegelns“, wo abends noch alle Segler in einem Boot Platz fanden, gab es doch da eine andere Gemeinsamkeit. Ich stelle fest, dass ich manche Namen nicht zuordnen kann. Sollte es vielleicht bei einem anderen Mal ein Großsegler sein? Wettfahrten kann man auch am Rechner austragen, aber die „Seemanngarnabende“ sind so nicht ersetzbar!
7. Tag
Damit keine Schwäche aufkommt, bläst es wieder mit über 30 Knoten in den Böen aus SW. Drei Boote legen zum Mittag Richtung Kröslin ab, da diese noch am Freitag zum „Kielbombenkontrollkranen“ müssen, die Nadir will mit ihrer ehrgeizigen Mannschaft noch ein paar Manöver auf dem Bodden absolvieren. Aber vorher noch Siegerehrung! Der „Goldene Ruckdämpfer“ geht, wie einer jungen Tradition folgend, in diesem Jahr, wiedermal völlig unverdient, an das Team der Nadir mit ihrer Hanse 40. Aber diese subjektiven Entscheidungen machen den Reiz aus! Auch wir haben beim letzten Mal davon profitiert und in diesem Jahr den Pokal gestiftet. Wir beschließen uns von der Genua ganz schnell in die nächste Bucht nach Seedorf verholen zu lassen. Erstmalig mache ich im „Stadthafen“ fest, wo die sanitären Anlagen ok sind und die Box nur ein Zehner kostet. Dennoch ist es nicht so heimelich wie am Forellensteg. Doch auch hier scheiden sich die Geister. Wir unternehmen eine kurze Wanderung zur „Moritzburg“, bestellen Kaffee und Kuchen und lassen uns mit der Fähre nach Baabe übersetzen. Es fängt an zu regnen und ich trete den Rückweg an. Zu Abend haben wir einen Tisch im „Binnen und Buten“ reserviert. Es schmeckt auch dank der Bedienung besonders gut. Den Abend beschließen wir auf der Nadir bei erlesenem Rum und einem Fläschchen Weißwein. Es gibt ein Leben vor dem Tod!!!
8. Tag
Rückfahrt nach Greifswald, kreuzen gegen an bei fünf. Die 15 Uhr Brücke ist das Ziel, aber die verpassen wir und dümpeln so noch eine halbe Stunde in Wieck auf der Ryck rum. Aber nachdem der Brückenmeister die alte Holzbrücke hochgeleiert hat, sind wir 10 Minuten später in unserer Box und beräumen etwas betreten unser Schiff. Monatelang bereitet man sich auf das Segelevent des Jahres vor, und dann ist es nach wenigen Tagen auch wieder vorbei. Aber nach dem Segeln ist vor dem Segeln!
So mache ich mir so einige Gedanken über die Zukunft dieser mehrjährigen Tradition. Der Beschluss ist gefasst, das Revier wird verlassen und in wärmere Gebiete abgewandert. Warum? Die finnischen und schwedischen Scheren kennt von uns keiner! Norwegische Atlantikküste? Kopenhagen? Nordsee? Die Begeisterung über die windreichen Tage war bei allen groß! Ich bin gerne bereit überall auf der Welt zu segeln, habe aber das jährliche Männersegeln bisher mehr in den Regionen gesehen, wo nicht mit der Badehose und mit Lichtschutzfaktor bekleidet im Cockpit unter dem Bimini gelümmelt wird. Auch denke ich, dass die Möglichkeiten im Norden und Westen Europas lange nicht ausgeschöpft sind. Die gemeinsame Fahrt auf einem größeren Segler find ich besonders reizvoll. Das alles nur als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage in die Runde geworfen, mit der Hoffnung auf neue Anregungen und Meinungen und mit der besonders großen Vorfreude auf die Woche im nächsten Jahr! Euer Atze