Wir verlassen den letzten Hafen in der Ruhe des beginnenden Tages. Es ist schon Normalität, dass die Sonne scheint und hoffen weiterhin darauf. Der Motor kann schon nach 15 Minuten ausgeschaltet werden und wir kreuzen in wenigen Schlägen aus der Bucht heraus. Durch die Suurstraße segeln wir westlich der großen estnischen Inseln nach Norden. Bei auffrischendem achterlichen Wind der Stärke 3-4 reffen wir das Großssegel. Die ca.1 ,5 m hohe und wie immer kurze Welle taucht unter der Herkules hindurch und will sie seitlich versetzen. Zwischen der Insel Muhu im Westen und Virtsu auf der Festlandseite im Osten verkehren 2 Fähren. Natürlich kreuzt sich unser Weg unmittelbar mit den sich begegnenden Fähren. Doch wir sind für jede Abwechslung dankbar, denn nach wie vor begleitet uns die absolute Einsamkeit auf dem Wasser.
Die Handgriffe an Bord werden so langsam zur Routine. Um so verwunderter waren wir, dass sich die Reffleine (2. Reff) beim Ausreffen des Großsegels nicht nachziehen ließ. Fluchen und Kraft, soweit vorhanden, halfen nichts. Im Kopf stellte ich mir mehrfach die Frage, wie man wohl an das Inneleben des Baums kommt. Das Ding macht auf mich den Eindruck eines Buddelschiffs. Da es bis zum engen Fahrwasser der Haapsalubucht nicht mehr weit war verzichteten wir auf weitere hilflose Manipulationen und stampften die Tonnen akribisch abzählend nach Haapsalu. Haapsalu ist ein Kurbad mit wohl hübschen Holzhäusern, Kurpromenaden und natürlich einem Kurhaus. Tom und Micha sind dann noch los und haben mir davon berichtet. Ich saß als einziger Gast im Restaurant der Grand Holm Marina (Klingt toller als es ist.) und googelte was das Zeug hält nach einer Problemlösung für den Baum. Nächtlich, bei uns hier oben am frühen Abend, schilderte ich Atze per SMS das Problem und bekam prompt eine Antwort mit einem Lösungsvorschlag. Reff abschlagen, Groß hoch und dann mal richtig an der Reffleine ziehen. Ausgeschlafen habe ich es am nächsten Morgen genauso gemacht und es hat geklappt. War ganz einfach.
Da die geplante Etappe mit ca. 20 sm recht überschaubar war hielt uns auch nichts davon ab, mit gefühlt 0-Wind dahinzudümpeln. Passend zu der Situation habe ich einen Artikel aus der aktuellen „Mare“ zum Thema Rossbreiten vorgelesen. Klar, kennt ihr bestimmt alle. Plötzlich einsetzender Nebel mit einer Sicht unter 100 m unterbrach die Fortbildungsstunde. Mit Micha am Radar konnte aber nichts schiefgehen. Er hat das Gerät verinnerlicht. Der kreuzende Segler war vorhergesagt.
Dirhami, ein abgelegener Hafen an der Nordwestecke Estlands, ist umgeben von Kiefernwälder und hat wunderbare Strände mit riesigen Gesteinsbrocken. Im Winter ist der Hafen aufgrund von Strömungen als einziger Estlands eisfrei, so dass viele Fischerboote hier festgemacht werden. Ein ausgiebiger Strandspaziergang war obligat.
Ein nahendes Gewitter war dann doch nur ein kurzer Regenschauer. Das Barometer ist in den letzten Tagen langsam aber stetig gefallen. Im Moment, während ich diese Zeilen schreibe, ist die See in wechselnden Dunst gehüllt. Wahrscheinlich gibts heute zum ersten Mal keinen romantisch verklärten Sonnenuntergang. Wir werden es verschmerzen und haben ja uns.
Hallo Herkules, schön zu hören, dass alles Bestens ist. Ihr habt ja noch Zeit für einen Kurztripp nach Helsinki, oder könnt aus Spaß den Großbaun auseinanderschrauben. Geht ganz einfach. Die Beschläge an beiden Enden lassen sich herausschrauben und dann kann das Buddelschipp geleert werden. Aber vielleicht geht Ihr lieber zum Badesteg und seht den Estinnen beim Sprung in den Finnischen Meerbusen zu.
Viel Freude in der zweiten Woche! Beste Grüße! Atze
Hallo Alexander, Micha, Tom und Herkules! Eure ausführlichen Berichte lassen unsere Vorfreude auf die kommenden 2 Wochen erheblich anwachsen. Allerdings können wir auch eine zunehmende Aufregung nicht leugnen.
Das mit den Finninnen und den Meerbusen habt Ihr sicher im Griff (Nico vermisst allerdings die entsprechenden Fotos), wenn Ihr den Großbaum bis Samstag wieder zusammengesetzt bekommt, würde uns das erfreuen.
Der obligatorische „Handbreit-Wunsch“ will einem allerdings nicht recht von der Feder gehen angesichts der Tatsache, dass in hiesigen Landstrichen mit „genügend Wasser“ derzeit nichts Wünschenswertes verbunden wird.
Also: eine weiterhin wunderbare Zeit wünschen
Uwe + Anke
… Micha am Radar. Kann ich mir gut vorstellen. Schon in den ersten Tagen war da eine gewisse Affinität zu spüren. Macht Spaß mitzulesen, danke!
Herzliche Grüße in die Runde, Jens
Hallo Alex und Crew, es tut das gut von euch zu lesen, da komme ich nach 10 Tagen im mitteldeutschen Hochwasser endlich mal wieder auf andere Gedanken. Danke euch, dass ihr so fleißig und detailliert berichtet. Wenn ich das richtig überblicke, ist bei Herkules alles in Ordnung. Auch der Spibaum? Die Mückenplage ist ja wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was die nächsten Wochen in windstillen Liegeplätzen auf die Herkules-Segler zu kommt. In Estland gibt es aber die besten After-Mückenstichsalben die ich kenne: Da waren wir mal mit dem Motorrädern und Zelten (!) unterwegs und sind halb wahnsinnig geworden, wegen der juckenden Stiche. In einem Krämerladen gab es dann die erste Beruhigungssalbe – wunderbar! Wie sieht die Empfehlung mit Oropax aus (für die Nacht)? Und vielleicht auch eine Schlafbrille? Mit Spannung warten wir auf Fotos, klappt das?
Beste Grüße aus dem sonnigen Leipzig, holger
Hallo Ihr Drei, das mit den Meerjungfrauen bleibt ohne Bildmaterial unglaubwürdig. Nichts desto trotz steigt auch bei mir der Anspannungspegel und nicht nur wegen der zu erwartenden Feste zur Sonnenwende in Petersburg. Wünsche Euch weiter gute Fahrt und freue mich auf die Berichte von Alexander und Tom in der nächsten Woche.