Bevor wir die Bermudas verlassen, unternehmen wir eine Busfahrt nach Hamilton, der Hauptstadt der Insel. Die Orte gehen scheinbar übergangslos ineinander über, denn das Eiland ist komplett bebaut. Keine Felder, keine Wälder, keine Brachen. Alles ist hübsch in pastellenen Farben gestrichen. Hamilton präsentiert sich dann schon etwas großstädtischer, zumal hier die Banken- und Geschäftswelt residiert, welche das Steueraufkommen der Länder minimiert.
Wir treffen hier auch alte Bekannte. Die „Salomon“, ein schweizer Jugendschiff hat festgemacht und präsentiert sich zum „Tag der offenen Niedergangstür“. Auf den Kanaren sind wir ihnen erstmalig begegnet und auf den Kapverden haben wir das Projekt näher kennengelernt. Damals ist uns ein 14jähriger und der Sinn des Jugendschiffs mit den Worten: „Zum Beispiel er hier, 3 Mordversuche…“ vorgestellt worden. Uns lächelt ein Junge über seine Brille an und wir können es nicht glauben. Der ist doch zum knuddeln! Auf der „Salomon“ werden Jugendliche betreut, die „soziale Schwierigkeiten“ haben. Man nennt das offiziell “Sozial –und erlebnispädagogische Intervention für männliche Jugendliche im Alter von 14 – 18 Jahren“. Jonathan, der Chef, erklärt uns das Projekt. Wir bewundern die aufopferungsvolle Sisyphusarbeit der Betreuer und sind über die Biografien der Jugendlichen entsetzt. Was es alles gibt ….. Wer Näheres erfahren möchte, sollte dies auf www.jugendschiffe.ch tun.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages, werfen wir die Leinen los und machen uns auf den Weg nach Europa. Fast 2000 sm Atlantik liegen vor dem Bug. Es regnet und „Grau“ ist die bestimmende Farbe. Wir hängen auf der Rückseite eines Tiefdruckgebietes und machen gute Fahrt. In den ersten Tagen gewöhnen wir uns an die See. Die Laune ist prächtig und die Küche gibt Frisches aus. Jedoch kündigen sich weitere Tiefs an, welche starken Wind und hohe Wellen bringen werden. Wir ändern den Kurs und fahren weiter südlich. Das Azorenhoch existiert noch nicht und somit ziehen die Tiefs weiter südlich als sonst. Unser 2. Tiefdruckgebiet zieht nördlich an uns vorüber und wir bekommen dennoch hohe Wellen und starken Wind. Freikerl meistert die Situation gut auch wenn es scheppert und kracht. Im Vorschiff platzen die Wasserkanister, der Dieseltank leckt und die Wassertanks sind immer noch nicht dicht. Im Vorschiff ist die Luke über meiner Koje so undicht, dass das Vorschiff nicht mehr nutzbar ist.
Doch nach 36 Stunden geht’s wieder ruhiger weiter. Wir haben 24 Stunden Erholungspause. Die neue Wettervorhersage kündigt ein erneutes Tief an. Diesmal gibt’s kein Entrinnen. Ich entsinne mich eines Berichtes, wo ein Skipper direkt in den Tiefdruckkern gefahren ist, um dem Ärgsten zu entgehen. Die Lage des Kerns ist günstig und ich entscheide südlich des Kerns bei 25 – 30 Knoten Wind das Tief über uns hinwegziehen zu lassen. Wir hoffen, dass sich der Wetterbericht an die eigene Voraussage hält und wir die richtige Höhe erreichen. Wir fahren nach Norden um auf den 39. Breitengrad zu segeln. Unser Wetterfrosch Dirk bestätigt unsere Strategie und wir segeln gen Osten und warten auf das „Schpladaddern“. Der Wind nimmt zu, die Welle auch und wir düsen bei 30 Knoten Wind und 4 – 6 Meter Welle gen Osten. Nach 24 Stunden solle das Tief durch sein. Doch der Luftdruck fällt weiter ab und wir versuchen die Lage zu deuten. Unser Barometer alarmiert mit „Sturmwarnung“. Wir haben nur noch ein kleines Dreieck als Fock gesetzt und lassen uns bei (zum Glück) achterlichen Wind ziehen. Aus dem ursprünglichen Tiefdruckgebiet hat sich ein weiteres kleines aber noch tieferes Tief gebildet und macht uns mit Böen von 8 – 9 Bft. das Leben schwer. Die Wellenhöhen nehmen noch einmal zu und wir merken, dass die Kondition nachlässt. Schlaf gibt’s schon lange nur noch bei Erschöpfung und Freikerl sieht aus wie ein Schlachtfeld.
Die Küche ist nur noch zum Aufwärmen und Tee kochen geeignet. Kochen macht einfach kein Spaß, denn auch auf See gelten die Gesetze der Gravitation. Im Zusammenhang mit Trägheitsgesetz und den Auswirkungen der Fliehkräfte fliegt eben alles durch die Gegend und zu Boden. Gegessen wird aus Schüsseln, deren Bestand sinkt, denn es gehen 2 Stück kaputt.
Aber nach Sonne kommt Regen und umgekehrt, so bessert sich unsere Lage wieder nach 36 Stunden und wir nähern uns Fajal der Azoreninsel, die wir zum Landfall ausgewählt haben. Horta ist das Ziel. Am Morgen des 17. Seetages verlässt uns 40sm vor Horta der Wind und wir motoren bei herrlichstem Sonnenschein unserem schon lange sichtbarem Ziel entgegen. Endlich haben wir etwas ruhigere See und wir halten nach Walen Ausschau. Leider zeigen sich die imposanten Tiere nur von Ferne. Aber zu dicht will man diese Brocken auch nicht am Boot haben. Wir wären nur ein Spielball für sie. Auf der Fahrt sind wir mehrfach Walen und Delphinen begegnet. An einem Morgen zogen 3 große Wale direkt eine Bootslänge vor unserem Freikerl durch. Da klopfte uns das Herz bis zum Hals. Das ist wirklich aufregend. Da ist die allgegenwärtige Portugiesische Galeere etwas ungefährlicher – so lange man nicht ins Wasser muss!
Der Hafen von Horta ist erwartungsgemäß völlig überfüllt und wir lassen den Anker im Hafenbecken fallen. Inzwischen gefällt uns der Ankerplatz ganz gut, denn niemand latscht im „Päckchen“ über unser Boot, wir müssen keine Festmacherleinen wegen der Tide nach führen, der Schwell lässt uns schaukeln und wir werden nicht gegen die Mole gedrückt. Leider ist es regnerisch und wir können uns wegen eines Feiertags nicht die Insel ansehen. Morgen soll es besser werden und wir wollen uns einen Leihwagen nehmen und die Insel erkunden. Am Montag werden wir dann vermutlich weiter nach Osten aufmachen. Dann leider jedoch nur noch zu dritt, Holger verlässt die Freikerlcrew. Sehr bedauerlich, da es uns großen Spaß gemacht hat und wir uns gut ergänzten.
Mensch, hab ich mit Euch mitgefiebert! Ich hab Euch ein paar Wetterfotos von den Tiefs aufgehoben …. und mir zwischendurch vorgestellt, Ihr wärt 3 Tage eher los. Seid Ihr ja aber zum Glück nicht :) Ich drück Euch weiter die Daumen und geniesst die Zeit auf der Zielgeraden Eurer Tour!!
Woischd Karle, dann geht das normale Lehwe wieder los … :-)
LG,
Dirk
Hallo ihr Lieben,
Ich hab mir ja die letzten Tage echt Sorgen um euch gemacht. Um so schöner, dass ihr ohne größeren Schaden auf den Azoren angekommen seid. Ich hoffe, ihr könntet euch ein wenig erholen und ausschlafen ehe es auf geht zur vorletzten Etappe. Ich wünsche euch nun nur noch Bilderbuchsegeln ohne Welle und gutem Wind. Kommt gut in Brest an.
Liebe Grüße von Kirstin
……..starker Tobak!!!!!…….ich bewundere Euch! …… LG
Hallo zusammen,
schön zu lesen, dass es euch gut geht und ihr alles trotz der schwierigen Bedingungen super meistert! Ich lese Jette immer eure Abenteuer vor und sie lauscht mit offenen Ohren und großen Augen!
Alles Gute für Euch und bis bald!
Die 3J’s
Es wurde ein Seebär gesichtet!
Hallo liebe Freykerl Crew, Hut ab, das ist eine super Leistung.
Wir hoffen Ihr kommt auf den letzten Etappen in ruhigeres Fahrwasser und drücken Euch die Daumen.
Weiterhin allzeit gute Fahrt
Hey Autze und Christine,
bin vorgeflogen, 50 Minuten bis Ponta Delgada, dort die BelleEspoir II wieder gesehen, der Dreimaster aus Brest, der in Horta in der Marina lag. Dann in zwei Stunden bis Lissabon geflogen, von dort die Atlantikkueste hoch und in der Biskaya ist der Pilot einem fetten Tief ausgewichen; die Anschnallzeichen blinkten auf; Flugzeit, eine Stunde fuffzig. Hier in Nantes regnet es ununterbrochen und auf der Wetterkarte sieht es so aus, als haettet ihr jetzt keinen Wind. Und den von vorne…. Druecke euch die Daumen, dass die Maschine nicht ewig laufen muss.
Die Ueberfahrt war kein Ponyschlecken, aber Klasse! Mal uebern Ozean mit Freunden und ohne Verletzungen oder Bruch, unheimlich langweilig, wahnsinnig aufregend und watt haett wie laecht… Vermisse nachts das Freikerl-Orchester: Den Floetenmann, der in die Relingsstuetzen pustet, den Gitarristen an den Wanten und Stagen, die Trommler in den Schabbs und am Rumpf und dazu das liebliche Summen des Windzwergs.
Handbreit!
holger