Welch freundlicher Empfang in der Marina Douro. Es lädt zum Verweilen ein: neue, saubere Sanitärräume, preiswerte große Waschmaschinen und Trockner, kostenloser Frühstücksbrötchenanbordlieferdienst, schnelles WLAN bis an den letzten Anleger, Einkaufstransfer mit Kleinbus, und nur 15 Fahrradminuten von der Innenstadt und den lockenden Portweinkellern entfernt. Der erste Landgang offenbart jedoch, dass die Marina in überwiegend authentisches, dörfliches Ambiente eingebettet ist. Es gibt hier noch ein öffentliche Lavanderia, ein Waschhaus mit großen Waschbecken, wo sich die Frauen des Dorfes zum Schwatzen und Tratschen treffen, ihre mitgebrachte Wäsche von Hand waschen und auf dem Trockenplatz mit den vielen hölzernen Wäschestützen, wie bei Oma im Garten, zum Trocknen in die Sonne hängen. Vor den schlichten kleinen Restaurants stehen große eiserne Grillgestelle, auf denen das eigentliche Kochen stattfindet. Die Küchen drinnen liefern nur die Beilagen. Fisch, verschiedenes Meeresgetier und riesige Koteletts brutzeln, umringt von geschwätzigen Gästen, und allein der Duft ist eine verführerische Einladung. Vor winzigen Cafés sitzen die Alten und schlürfen ihren Port. Im Mini-Dorfkonsum, in dem kaum 3 Kunden Platz finden, werden wir lauthals begrüßt, als wären wir nach langer Abwesenheit endlich heimgekommen. Das Angebot entspricht den Platzverhältnissen, es gibt von allem ein wenig, aber ich freue mich, nur aus 3 Sorten Rotwein wählen zu müssen und nicht aus 300. Nicht Englisch, wie sonst in Portugal überraschend verbreitet mit Ausländern gebräuchlich, nur Gesten und Grimassen gestalten die filmreife Kommunikation. Zum Abschied wird Anke von der fast erdrückend herzlichen Verkäuferin, die von nun an für uns „Mutti“ hieß, geküsst und geherzt. Mutti wollte, zu mir hoch strahlend, meine Hände gar nicht mehr loslassen, natürlich müssten wir uns von den übrigen Kundinnen auch per Handschlag verabschieden. Im Café nebenan verkauft uns ein älterer Mann weltbesten Schokokuchen, den seine Frau nach altem Geheimrezept bäckt und liebevoll verpackt. Wir streunen gerührt durch die schmalen, fußgängerzonenartigen Gassen und müssen den Einstieg hier erstmal verdauen. Die Einheimischen sitzen im fahlgelben Laternenschein vor ihren Häusern mit den bekannten gefliesten Fassaden auf dem typischen weißen Kleinpflaster, schwatzen, werkeln an Autos oder Fahrrädern, ein paar Alte spielen Brettspiele, die Frauen hängen die Wäsche auf kleine Ständer vor der Tür. Alle grüßen freundlich, wir fühlen uns endgültig willkommen geheißen und trollen uns sehr zufrieden zurück aufs Boot.
Am kommenden Tag laufen wir am Südufer des Douro nach Porto hinein. Auffällig sind die vielen leerstehenden, dem Verfall preisgegebenen, ehemals sehr schönen, oft prächtigen, alten Gebäude. In die Abbruchlücken hat man gnadenlos austauschbare postmoderne Wohnanlagen gepresst, die großenteils auch leer stehen. Die Folgen der Immobilienkrise sind offensichtlich. Lebendig wird es auf dieser Douroseite erst, als wir das Viertel der Portweinkellereien erreichen. Hier regiert der Tourismus, es ist schlagartig voll und die sich aneinanderreihenden Tavernen und Bodegas buhlen um die Gäste aus aller Welt. Die obligatorische Verkostung verschieben wir auf einen anderen Tag, wollen erst einen Stadteindruck gewinnen und über die gigantische eiserne Brücke (Konstruktion von Gustave Eiffel) ins eigentliche Porto. Im Altstadtviertel Ribeira gönnen wir uns ein Kaffeepäuschen und lauschen einem sehr jungen Straßenmusiker, der sich überraschend gekonnt an Stücke wagt, die so gar nicht seinem Alter entsprechen. Bei Cohens „Halleluja“ kann die Skipperin den Tränenstrom nicht mehr zurückhalten. Ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, ob oder wie ich diesen Angriff auf Ankes emotionale Verfassung pekuniär angemessen honoriere soll.
Porto gefällt uns. Klar, es ist touristisch, aber so sind die schönen Flecken dieser Welt nun mal.
Da wir jenseits der Wochentage und -enden leben und die Bedingungen hier günstig sind, wird der Sonntag zum Waschtag erklärt. Außerdem wartet der Galizienabschluss auf Fortschritte. Das Sichten der Unmengen an Fotos und die nötigen Entscheidungen für die Blog-Galerien sind manchmal quälend. Und wenn die frischen Eindrücke die alten überlagern wird es für mich immer noch viel schwieriger mit dem Erinnern und der Schreiberei für die Blog-Einträge der vergangenen Etappe.
Einen Portotag müssen wir opfern, um unsere in den letzten Wochen gewachsene Einkaufsliste abzuarbeiten. Dazu nehmen wir das Angebot des offerierten Hol-und-Bringe-Dienstes gern an. Im gigantischen Kaufhaus gibt es tatsächlich alles und bis auf den Fahrradständer für Ankes Faltrad türmen sich nach 3 Stunden alle gesuchten Artikel im Kofferraum des Rücktransporters. Das Herzstück unserer Erwerbungen, und nunmehr neuestes Familienmitglied, ist -man traut es sich kaum zu nennen – ein Akku-Staubsauger! Ein Dyson-Supersauger, ohne Tüten. Er macht Geräusch wie ein Starfighter, saugt aber auch dementsprechend. Wir haben ihn „Meig“ getauft, nach dem Ohrbeißer Meig Dyson, in schwachen Momenten auch Meigl genannt.
Aber wir sind ja nicht zum Shoppen ausgebrochen. Endlich kommen die Räder wieder raus, die während der Hausbootzeit, vor Anker und auf den Inseln eingestaubt sind. Wie auch in Spanien kann und muss man hier in Ermangelung ausgebauter Radwegenetze fahren, wo man will und sicher ist, auf dem Gehweg, entgegen der Fahrtrichtung, durch die Fußgängerzonen, bei Rot, wenn nix kommt… Kein Ordnungshüter nimmt Anstoß daran. So erkunden wir vergnügt radelnd die interessanten Stadtteile und Sehenswürdigkeiten. Porto gefällt uns immer besser. Nur eins macht mich stutzig: ich werde mehrfach angesprochen, ob ich Dope kaufen möchte? Offenbar muss ich meine Außenwirkung überdenken oder besser, überarbeiten. Fast 60, schütteres Grauhaar, zivil gekleidet, neugieriger Touriblick, erwachsene, wohlgeratene Kinder, eigenes Heim, kurz vor Auszahlung der Lebensversicherung: und die Jungs, im Alter meiner Kinder, tragen MIR ihre Tütchen an…. Ich bin fassungslos.
Und nun kommt der Port. Wir versuchten uns „schlau zu machen“ und entschieden: Port-Verkostung bei Augustos, einer Mini-Kellerei in portugiesischem Familienbesitz, die nur etwa 35.000 Flaschen jährlich abzieht und ausschließlich im eigenen Keller verkauft. Denn den bekommen wir nur hier. Alle „Großen“ (Sandemann, Calem, Taylor, Offleys und Co.) sind in jedem Laden und sicherlich auch daheim erhältlich. Die Führung dauert nur eine halbe Stunde, verkosten kann man so lange wie man will, nur muss man alle Proben nach der Vierten bezahlen, was bei Käufen wiederum verrechnet wird. Bei uns haben sie verrechnet, nicht sich, aber unsere Mehrproben. Sehr lecker wars, und prompt hatte der Konsum uns wieder eingeholt. Leider wird erst ab 12 Flaschen frei Haus geliefert, so dass wir die köstliche und kostbare Beute am Lenker nach Hause schaukeln mussten. Aber schaukeln haben wir mittlerweile drauf.
Am Abend des letzten Porto-Stadtbummeltages wollen wir nochmals in unserem Dorfgasthof St. Pedro einkehren. Auch hier werden wir wie Stammgäste begrüßt. Woher wir kämen in Deutschland? Leipzig! Haha. Kennen wir, haben gerade verloren gegen Porto. Aber Deutschland sei okay. Das haben wir in Galizien auch oft gehört. Deutschland gut. Angela Merkel gut. Ich weiß nur noch immer nicht, was sie genau damit meinen.
Da die „Mutti“ bis 10 geöffnet hat, besuchen wir ihr Lädchen, um noch um ein paar Flaschen vom Roten und die üblichen Grundnahrungsmittel zu kaufen. Die Mutti ist zu Tränen gerührt, als sie hört, dass wir abreisen. Wir müssen versprechen im nächsten Sommer zur großen Fiesta im Dorf wiederzukommen. Sie lässt Anke gar nicht mehr los und ich befürchte, dass die Skipperin zwangsadoptiert wird. Auch ich muss mich tief beugen und werde mehrfach geküsst, Anke heult, und auf dem Heimweg schmieden wir Übersiedlungspläne.
Schweren Herzens brechen wir nach 8 Portotagen am Samstagvormittag auf, wollen bzw. müssen weiter nach Süden. Den Windprognosen nach müssten wir die Hälfte der Strecke segeln können. Zwei Tag später soll der Wind auf Süd drehen und stark zunehmen. Wir lassen es offen, ob wir die 18h bis Peniche fahren, wo wir vermutlich nachts um 3 ankommen würden, oder gleich bis Lissabon, noch 12 h länger. Wir segeln weit über die Fischereizone hinaus, um den vielen Fischerbojen auszuweichen. Tagsüber muss man halt Ausguck gehen, aber schon im abendlichen Gegenlicht wird es schwierig, die kleinen Bojen rechtzeitig zu erkennen; nachts würde es ein Russisch Roulette. Segelnd ist alles kein Problem, aber sich nachts eine Leine in den Propeller zu ziehen und manövrierunfähig dahin zu treiben ist wenig verlockend. Enttäuschender Weise reicht der Wind nur für 3 h Segeln, dann herrscht Flaute. Wieder Motorboot fahren, wie ärgerlich.
Der Atlantik wabert ganz sanft, wie ein in Zeitlupe gewedelter, bleigrauer Teppich, der sich allmählich auslegt, bis er glatt ist und aussieht, wie ein alter Spiegel. Die Delfine, die Anke gerufen hat und die uns im Abendlicht begleiten und am liebsten neben, unter und vor unserem Bug in ständig wechselnden Besetzungen spielerisch dahinzischen, sind so scharf deutlich zu sehen, als würden wir mit ihnen im Wasser schwimmen. Denen muss das einen Riesenspaß machen. Sie drehen sich auf die Seite, schauen uns an, manche schwimmen auf dem Rücken, Bauch an Bauch mit einem Gefährten (oder einer Gefährtin?), als würden sie auch noch spielerisch bei dem Tempo „fischeln“. (Okay! Es sind Säugetiere…) Ein fantastisches Erlebnis, Anke ist völlig aus dem Häuschen und aufgekratzt. Ich bin lange sprachlos und beide sind wir traurig, als sie sich nach eineinhalb Stunden! trollen. Obwohl wir wirklich viele Delfinbesuche auf unserer Reise hatten, so intensiv erlebten wir die drolligen verschmitzten Wasserakrobaten noch nie.
Mit Einbruch der Dunkelheit zieht Seenebel auf und es wird so feucht, als nieselte es. Wenn ich den Strahl der Taschenlampe auf die Wasseroberfläche richte, wird eine aufrechte, wirbelnde Wasserstaubsäule in die Luft reflektiert. Sehr beeindruckend. Der Nebel ist nicht hoch und bildet eine Art schwarzgraue Manschette um uns herum. Über uns steht der klare Sternenhimmel. Im Blindflug bewegen wir uns wie in einem Goldfischglas durch Watteberge; der Große Wagen zieht allmählich seine Hinterachse aus der Schneewehe. Großartiges Schauspiel.
Und dann sind sie wieder da. 2. Teil. Gegen Mitternacht holt uns die verspielte Delfinbande wieder ein, oder eine andere. Diesmal verbinden sie das Angenehme mit dem Nützlichen: sie speisen in fröhlicher wilder Jagd zu Abend. Um uns herum schäumt und spritzt es. Offenbar treiben sie einen leckeren Fischschwarm vor sich her. Wieder werden wir für eine Stunde von den verrückten Biestern begleitet, nur dass wir leider nicht viel mehr als die weißen Schaumkronen ihres wilden Gespringes erkennen und ihre Atemgeräusche um uns herum vernehmen können. Und die gejagten Fischlein blitzen immer wieder silbern glitzernd überm schwarzen Wasser auf, wenn sie verzweifelt springend versuchen den Delfinmäulern zu entkommen. Danke für den kurzweiligen, beglückenden Zeitvertreib auf See, ihr herrlichen Geschöpfe.
Der Sonnenaufgang ist ebenfalls in dichten Dunst gehüllt, wie schade. Das sonore Motorbrummen ist zwar ganz gut auszuhalten, aber irgendwann nervt es doch. Als eine kleine Vormittagsbrise einsetzt setzen hoffnungsfroh die Segel. Die Freude währt leider nur kurz, wenn wir weiter mit 2 kn dahindümpeln brauchen wir eine Nacht länger, und so muss nach einer Ruhestunde wieder der Diesel ran. Natürlich sind wir von der Piccolina-Crew schon gesichtet worden und werden erwartet in der Marina Cascais. Und, wieder der Zufall es will, unmittelbar neben ihnen machen wir in der uns zugewiesenen Box fest. Noch während die beiden unsere Leinen nehmen ergeht die Einladung zum „Anleger“ sowie unserer üblichen halben Stunde. Wir freuen uns.
Galerie Porto:
Galerie Delphinbesuch:
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Herrlich. Eure Erzählung macht einen unglaublich neugierig auf Portugal. Und es ist als Reiseziel nun sehr in den Fokus gerutscht. Die tollen Bilder tun ihr übriges. Und dann endlich solch eine grandiose Serie von den Delfinen. Das sind wirklich fantastische Bilder und ich kann mir vorstellen welchen Spaß es bereitet ihnen zuzuschauen. Danke für diese Eindrücke. Alles liebe. Eure Livia
Was für zwei wunderbare, aufmerksame Menschen wir bald treffen werden, welch eine Vorfreude. Der Blick fürs Detail, die Dankbarkeit für all diese Wunder, ich denke, Ihr werdet eines Tages sehr verwandelt zurückkehren. Doch heute erst einmal einen frohen 1. Advent.
herzlich Conni
besonders speziell empfinde ich es, von einem, mit Kerzen und kleinen Leuchtesternen trappierten Wintergarten in Weimar (und dieses Mal ist wirklich richtiger Schneewinter, mit Schwedenvogelhaus auf dem Balkon, ehrlich!) in eure sonnige Meereswärme zu blicken… Wo werdet ihr nach dem 6.1.2018 sein? liebe Grüße, thomas
Ein Traum! Wie lange braucht Ihr eigentlich täglich im Photoshop um die Farben in sämtlichen Fotos so beeindruckend zu pushen – die sind doch niemals echt :)).